Neue Richtlinie

Schächtverbot in Dänemark

Per Richtlinie wurde in Dänemark das betäubungslose Schächten verboten. Der Tierschutz stehe über der Religion. Kritik kommt von der EU – aber auch von Muslimen und Juden. Im Islam und Judentum müssen Tiere zum Verzehr geschächtet werden, damit sie als halal bzw. koscher gelten.

17
02
2014

Der dänische Landwirtschafts- und Lebensmittelminister Dan Jørgensen von der sozialdemokratischen Partei hat eine Richtlinie unterzeichnet, die vorsieht, dass alle Tiere in Dänemark nur nach vorheriger Betäubung geschlachtet werden dürfen. Damit führt das Land ähnlich restriktive Vorgaben ein, die bereits in Polen, Norwegen, Schweden und in der Schweiz existieren. Jørgensen begründet den drastischen Schritt mit dem Tierschutz. Dieser stehe über der Religion.

Juden und Muslime fühlen sich durch den Schritt angegriffen. Die Regelungen erschwerten das religiöse Leben in Dänemark, heißt es. Beide monotheistischen Religionen kennen eine uralte Tradition des Schächtens. Tiere zum Verzehr müssen geschächtet werden, damit sie als koscher bzw. halal gelten. Dass ein Tier vor der Schächtung betäubt werden muss, steht besonders im Widerspruch zur jüdischen Lehre. In Dänemark leben Schätzungen zufolge zwischen 5.000 – 7.000 Juden und ca. 150.000 – 200.000 Muslime.

Import von Fleisch nötig

Der Europäische Kommissar für Gesundheitsfragen, Tonio Borg, verurteilte in einer Stellungnahme die neue Richtlinie in Dänemark. Er sagte, sie verletze europäisches Gesetz. Tatsächlich gibt es jedoch auch in anderen EU-Staaten, wie Polen ähnliche Regelungen. Juden und Muslimen wurde dort auch gesetzlich verboten, zu schächten. Das Ergebnis war ein Einbruch der Landwirtschaftsindustrie. Polen hatte bis zum Verbot halal und koscher Fleisch in andere Länder, insbesondere innerhalb der EU, exportiert.

Die neue Regelung in Dänemark könnte nun dazu führen, dass die Importe von geschächtetem Fleisch zunehmen, gleichzeitig aber der Exporte von geschächtetem Fleisch gegen Null sinken. Jüdische und muslimische Metzger, die sich auf eine spezielle Kundschaft eingestellt haben, könnten vermutlich nicht mehr ihr Angebot aufrechterhalten und müssen mit erheblichen Einbußen rechnen. Juden und Muslime, die ihr Fleisch entsprechend rituell und traditionell geschächtet haben wollen, müssten es künftig aus dem Ausland beziehen.

Auch in Deutschland ist es nicht ohne weiteres möglich, koscheres oder halal Fleisch zu beziehen. Metzger und Fleischer müssen nachweisen, dass sie für ihre ausgewählte Kundschaft schächten. Oftmals stellen die Behörden enorme Hürden für eine Sondererlaubnis auf, was auch hierzulande dazu führt, dass kaum traditionell geschächtet wird.

Tiere sollen kein Leid erfahren

Der dänische Landwirtschaftsminister argumentiert, dass die Schächtung nach islamischem und jüdischem Ritus nicht ethisch sei. Er suggeriert, die Tiere würden bei der traditionellen Schächtung leiden. Dem widersprechen Juden und Muslime aber entschieden.

Traditionell gilt bei Muslimen, dass ein Tier ohne Betäubung geschächtet werden muss. Mittlerweile gibt es allerdings auch viele Rechtsgutachten (fatwa), die eine Betäubung zulassen, ja sogar wünschen, damit dem Tier nicht unnötig leid angetan wird. Begründet wird dies auch mit festen Regeln, die als Bestandteil einer ordentlichen Schächtung gelten. Beim Schächten muss darauf geachtet werden, dass das Tier nicht leidet.

Die Jüdische Glaubensgemeinschaft argumentiert, dass beim Schächten die Tiere nur wenig bis gar nicht Schmerzen spüren. Der Schnitt bei der Schächtung erfolgt in einem einzigen großen Schnitt quer durch die Halsunterseite des Tieres. Dabei werden Blutgefäße sowie Luft- und Speiseröhre durchtrennt. Mit dem Schächten soll das möglichst rückstandslose Ausbluten des Tieres gewährleistet werden. Der Verzehr von Blut ist sowohl im Judentum als auch im Islam verboten.

Leserkommentare

Gudrun Enders sagt:
Niemand will die Religionsfreiheit von Juden oder Muslimen einschränken oder ihnen vorschreiben, wie sie ihre Religion auszuüben haben. Es steht meines Wissens allerdings nirgendwo geschrieben, dass Religionsfreiheit oder Religionsausübung mit Schmerzen und Leiden für die betroffenen Tiere verbunden sein müssen. Kein Gott, wie auch immer er heißen mag, kann wollen, dass seine Geschöpfe, und dazu gehören auch die Tiere, dabei leiden und einen qualvollen Tod sterben müssen, wenn ihnen dies durch die Gnade einer vorherigen Betäubung erspart bleiben kann. Dieses Urteil wird deshalb auch unter den jüdischen und muslimischen Mitbürgern viel Zustimmung erfahren, weil das Tier durch die vorherige Betäubung nicht getötet, sondern nur betäubt wird.
17.02.14
18:14
Jason C. sagt:
Warum versuchen Menschen anderen Menschen vorzuschreiben, wie sie leben und was sie glauben sollen? Der jüdische Glaube und auch der muslimische Glaube praktizieren das Schächten seit Jahrhunderten. Dies ist eine Praxis, die Tieren weiterhin Leid erspart. Im Gegensatz zu den fanatischen Behauptungen der Tierschützer, ist bis heute nicht bewiesen, dass das Schächten generell tatsächlich einem Tier leid zufügt. Wenn man im historischen Kontext berücksichtigt, dass das Schächten den Tieren lange vor solchen Gruppen wie Tierschützern, bereits die Tiere geschützt hat, muss man sich doch fragen, warum man Menschen ihre religiöse Pflicht absprechen will, die seit Jahrhunderten kein Problem war. Ich finde die Entwicklung in Dänemark höchst bedenklich. Sie ist ein Ausdruck der Stigmatisierung von Juden und Muslimen. Sie ist religionsfeindlich und basiert letztendlich nur auf Mutmaßungen. Hier entscheidet erneut eine Mehrheit darüber, was eine Minderheit tun soll. So kann Demokratie jedoch nicht funktionieren.
17.02.14
18:28
Arne List sagt:
Bisher gilt in Dänemark, dass die rituelle Schächtung OHNE Betäubung nur auf Antrag beim Lebensmittelamt erlaubt ist und alle Schlachtungen, ob rituell oder nicht, ob mit oder ohne Betäubung, nur von Metzgereien durchgeführt werden dürfen. In der Praxis sieht es so aus, dass seit Jahren kein Antrag mehr gestellt wurde, Tiere ohne Betäubung zu schächten, weder von Juden, noch von Muslimen. Das heißt, die rituelle Schächtung findet in Dänemark grundsätzlich MIT Betäubung statt. Quelle: https://www.foedevarestyrelsen.dk/Leksikon/Sider/Rituel-slagtning.aspx Die jetzige Verordnung verändert also an der realen Situation in Dänemark gar nichts. Kritik kommt in erster Linie auch nicht von den Muslimen (hier ist Schächten mit Betäubung ja schariatisch erlaubt, wenn nicht sogar geboten nach neuerer Auffassung, wie ihr selber darlegt), sondern von der Mosaischen Glaubensgemeinschaft Dänemarks. Diese Kritik richtet sich eher gegen eine befürchtete Symbolpolitik. Materiell ist es so, dass koscheres, unbetäubt geschächtetes Fleisch seit Jahren nach Dänemark importiert wird. Die Halal-Fleischproduktion in Dänemark ist davon, wie gesagt, überhaupt nicht betroffen. Es ist sogar so, dass fast alles Geflügel in Dänemark halal geschlachtet wird, aber halt betäubt und nicht immer extra gekennzeichnet.
17.02.14
19:02
Eckard Wendt, AGfaN e.V. sagt:
Religionsfreiheit ist ein hohes und schützenswertes Rechtsgut. Ein Recht daraus abzuleiten, Tieren vermeidbares Leiden zufügen zu dürfen, ist aber ein Trugschluss. Die Religionsstifter des Judentums und des Islam kannten kein besseres, d. h. die Tiere schonenderes Verfahren als die Herbeiführung ihres Todes mit Hilfe eines sehr scharfen Messers. Heute würden sie bestimmt die (selbstverständlich gut durchgeführte) Elektrobetäubung oder den Bolzenschuss vorschreiben, die binnen etwa 0,4 Sekunden zur Bewusstlosigkeit führt, und gewiss die extrem tierquälerische CO2-Betäubung, wie sie zur Gewinnung des auch bei Muslimen und Juden beliebten Geflügelfleisches eingesetzt wird, nicht zulassen, weil die Tiere dabei mindestens 20 bis 60 Sekunden extreme Todesangst durchleiden. Fleisch von derart tierquälerisch getöteten Mitgeschöpfen kann weder halal noch koscher sein!!!
18.02.14
13:36
Stemu sagt:
Natürlich steht der Tierschutz über Religion!!! Ich bin froh und dankbar für diese Entscheidung.
20.02.14
20:18
PeHi sagt:
Ich habe Dänemark schon immer geliebt. Jetzt liebe ich das Land noch mehr. Das Schächten muss in der gesamten EU verboten werden.
16.12.15
12:58
Gian Fischer sagt:
Woher wissen die Juden und die Moslems, dass die Tiere nichts empfinden? Haben die sich noch nie mit einem scharfen Messer geschnitten in den Finger??? Dann haben ja auch alle traurigen Gewalttaten an Menschen, die mit einem scharfen Messer geköpft wurden auch ihre Berechtigung einer schmerzfreien Hinrichtung? Einfach nur mittelalterlich an koscher wie halal im Zeitalter von Iphone, Spaceshuttle etc. festzuhalten! Wo steht in der Religion, dass ihr fleisch verzehren müsst? Seid vegan, dann braucht ihr diese dumme Diskussion um Schächten nicht! Einfach nur grausam, diese Religionsfanatik!
24.04.16
11:54