Die muslimischen Gemeinschaften in der Schweiz streben eine Anerkennung an. Darüber und wie diese Anerkennung aussehen soll, sprachen wir mit Hisham Maizar, Vorsitzender der Föderation Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz (FIDS).
Dr. Hisham Maizar ist schweizer Arzt mit palästinensischen Wurzeln. Er ist Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz (FIDS), der größten islamischen Organisation in der Alpenrepublik. Die FIDS zählt derzeit ungefähr 150 verschiedene Islamzentren. Wir sprachen mit Hisham Maizar über die rechtliche Situation der Anerkennung des Islam in der Schweiz und welche Schritte hin zu einer Anerkennung unternommen werden sollen.
IslamiQ: Wie ist die aktuelle Situation für die öffentlich rechtliche Anerkennung des Islam in der Schweiz?
Hisham Maizar: Die aktuelle Situation für die öffentlich rechtliche Anerkennung des „Islams“ steht zurzeit gar nicht zur Debatte in der Schweiz. Wohl aber die individuelle „öffentliche Anerkennung“ von einer kantonal-islamischen Gemeinde in einem Kanton der Schweiz. Die hierzulande etablierten islamischen Organisationen streben vorerst die sog. kleine öffentliche Anerkennung an, als Vorstufe für die öffentlich rechtliche Anerkennung. In der Schweiz gibt es zwei Formen der Anerkennung religiöser Gruppierungen. Es sind dies:
a) die öffentliche Anerkennung. Hier handelt es sich um die sog. kleine Anerkennung, d.h. um eine symbolische Anerkennung einer religiösen Gruppe. Hierbei entscheidet nur das Kantonsparlament über diese Anerkennung ohne Einbeziehung des Stimmvolkes im Kanton
b) die öffentlich rechtliche Anerkennung. Hierzu ist die zusätzliche Einbeziehung der Zivilgesellschaft obligatorisch (die sog. kantonale Volksabstimmung)
Für beide Formen der Anerkennung sind jeweils die Kantone zuständig. Wenn religiöse Gruppierungen den Wunsch nach Anerkennung haben, dann müssen sie gewisse Konditionen unbedingt zuerst erfüllen. Dazu gehören die Anerkennung des demokratischen Rechtsstaates Schweiz, die Anerkennung der Menschenrechte, insbesondere der Gleichstellung von Mann und Frau, Nachweis der Ansässigkeitsdauer der jeweiligen religiösen Gruppe im Kanton, die absolute finanzielle Transparenz sowie die Bereitschaft an karitativen und sozialen Aktivitäten teilzunehmen als Gegenleistung und sich für den religiösen und intergesellschaftlichen Frieden einzusetzen. Radikale oder extremistische religiöse Gruppen sind vom Prozess der Anerkennung ausgeschlossen. Im Gegenzug können sie vom Staat einige Erleichterungen erhoffen wie Zulassung des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen, und die Steuererhebung von Muslimen.
IslamiQ: Welche islamischen Organisationen äußerten hierfür ein Gesuch und welche konkreten Schritte wurden unternommen?
Hisham Maizar: Vorerst wollen wir die islamische Gemeinde Basler Muslim Kommission (BMK) in Basel Stadt dazu bewegen einen Antrag an den Kanton Basel Stadt zu stellen. Wann die BMK das machen wird, steht noch nicht fest. Die Wahl auf den Kanton Basel Stadt ist aus folgenden 3 Gründen gefallen
1) weil der Kanton Basel-Stadt ein liberaler Kanton ist.
2) weil der Kanton Basel Stadt einen Präzedenz geschaffen hat durch seine Anerkennung von zwei alevitischen Gemeinden vor ca. zwei Jahren.
3) weil die BMK die meisten Voraussetzungen für die öffentliche Anerkennung erbringen kann.
IslamiQ: Wie sieht der formale Vorgang für die öffentlich rechtliche Anerkennung einer islamischen Organisation aus? Und welches Vorgehen empfehlen Sie den islamischen Organisationen in der Schweiz zu diesem Zweck?
Hisham Maizar: Die islamischen Dachorganisationen auf kantonaler und Bundesebene wollen gerne zuerst Erfahrungen mit dem Kanton Basel Stadt sammeln. Bei eindeutiger positiver Bewertung könnten wir andere islamischen Gemeinden in anderen Kantonen schrittweise unterstützen, dem Beispiel Basel Stadt zu folgen. Dieser Prozess kann Jahre beanspruchen.
Gegenwärtig ist das Image des Islams weltweit verzerrt. Hieran haben wir noch viel zu arbeiten. Aus diesem Grunde sind wir davon überzeugt, dass die Zeit für eine öffentlich rechtliche Anerkennung vorerst nicht gegeben ist. Sie würde an dem Nein der Stimmbevölkerung sicher scheitern. Hingegen ist es für die islamischen Dachorganisationen in der Schweiz, welche kommunale, kantonal und auf Bundesebene agieren, sehr wichtig, dass wir eine „Islam Debatte“ in der Schweiz lancieren. Wir leben hier seit über fünfzig Jahren Seite an Seite mit den Einheimischen. Die Rechtspopulisten im Lande schüren unentwegt Ängste vor dem Islam bei dem Stimmvolk und sind bitter entschlossen gegen eine wie sie sie nennen, schleichende Islamisierung im Lande zu opponieren. Mit Initiierung einer Islam Debatte hätten wir mehr Möglichkeiten durch noch intensiveren Dialog und bessere Argumentation zu präsentieren.
Das Interview führte Elif Zehra Kandemir.