Die Grünen-Spitze äußerte vor kurzem Bedenken bezüglich der Vergabe der Körperschaftsstatus an islamische Religionsgemeinschaften. Die CDU-Politikerin kritisierte die Vorbehalte. Warum ist eine Einigung so schwer? Die Juristin Funda Yol-Gedikli hat die Antworten.
Mit dem Körperschaftstatus ist eine Reihe von Rechten verbunden, die diesen Status auch für islamische Religionsgemeinschaften attraktiv macht. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts kann man partiell hoheitlich tätig sein und Steuern erheben. Die Begründung von öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen (Dienstherrenfähigkeit), Steuerbefreiungen, Vergünstigungen im Gebührenrecht, Schutzvorschriften im Strafrecht und Sonderregelungen im Arbeits- und Sozialrecht gehören ebenfalls zu den Privilegien.
Gleichwohl führt dieser Status nicht dazu, dass die Religionsgemeinschaften Teil des Staates sind; eine Staatskirche besteht nach Art. 137 Abs. 1 WRV ausdrücklich nicht. Dass die Kirchen bzw. anderen Religionsgemeinschaften, die die Körperschaft des öffentlichen Rechts zuerkannt bekommen haben, nicht Teil des Staates sind ergibt sich auch daraus, dass diese vollumfänglich grundrechtsfähig sind, sich also auf ihre Grundrechte berufen können und nicht grundrechtsgebunden sind.
Vorteile, die insbesondere die islamischen Religionsgemeinschaften genießen könnten, wären z. B. in sämtlichen Bereichen der Anstaltsseelsorge. Dort könnten entsprechende Vereinbarungen getroffen werden, um eine ordentliche Seelsorge für Muslime zu gewährleisten. Es könnten eigene konfessionelle Friedhöfe betrieben und damit die Umsetzung der islamischen Bestattungsvorschriften ermöglicht werden. Gleichzeitig könnten Ansprüche beim Bau von religiösen Einrichtungen in Wohngebieten geltend gemacht werden.
Die rechtliche Grundlage zur Zuerkennung des Körperschaftstatus ergibt sich aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV. Laut diesem Paragraphenbleiben die Religionsgesellschaften Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Dies betraf die christlichen Kirchen, die sog. altkorporierten Körperschaften. Für weitere Religionsgemeinschaften gilt der Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV:
„Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.“
Eine Religionsgemeinschaft ist – vereinfacht formuliert – eine Vereinigung von mehreren Personen, die durch einen gemeinsamen Glauben innerlich verbunden sind. Die Frage, ob Dachverbände Religionsgemeinschaften sein könnten, ist spätestens mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.02.2005 überholt, wenn auch vorher streitig gewesen. Demnach kann auch ein Dachverband eine Religionsgemeinschaft sein, wenn die Vereinigung auf der untersten Ebene auf natürliche Personen aufbaut. Auch gilt das Erfordernis der umfassenden Glaubensverwirklichung auf der Dachverbandsebene.
Neben dem Antrag auf Zuerkennung des Status müssen die Religionsgemeinschaften durch Verfassung und Zahl der Mitglieder die Gewähr der Dauer bilden. Hierdurch soll verhindert werden, dass eine Gemeinschaft diesen Status anerkannt bekommt die nur kurzzeitig besteht. Es soll in diesem Punkt geprüft werden, ob eine vielgestaltige Alternsstruktur vorliegt, so dass nicht von einem Untergang der Religionsgemeinschaft in der nächsten Generation ausgegangen werden kann. Der gemeinsame Zweck der Verbundenheit soll also dauerhaft gelten und nicht nur temporär.
Grundlage für diese Einschätzung sind der gegenwärtige Mitgliederbestand der Religionsgemeinschaft und ihre Verfassung im Übrigen, so dass neben dem Kriterium der Mitgliederzahl der tatsächliche Gesamtzustand der Gemeinschaft zu würdigen ist (vgl. BVerfGE 102, 370, 384). Die dafür in der Staatspraxis herangezogenen Indizien (etwa eine Mindestbestandszeit) seien hilfreich, dürften aber nicht schematisch angewendet werden und die Gesamtbetrachtung nicht stören.
Nach dem Bundesverfassungsgericht treten neben den geschriebenen Voraussetzungen noch weitere Kriterien für die Zuerkennung des Status hinzu. Auch wenn die Körperschaften mit der Statuszuerkennung nicht Teil des Staates werden, kann ihnen eine gewissen Staatsnähe nicht abgesprochen werden. Der Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV wird um das ungeschrieben Erfordernis der Rechtsstreue ergänzt. Wie ausgeprägt dieses Erfordernis der Rechtsstreue sein muss, wird kontrovers diskutiert. Letztlich muss eine Abwägung zwischen den Prinzipien der absoluten Staatstreue und dem Interesse der Religionsgemeinschaft an Selbstbestimmung getroffen werden.
Jede Religionsgemeinschaft kann sich wie Jedermann auf ihre Grundrechte berufen. Zentrale Bedeutung hat hier der durch die Religions- und Glaubensfreiheit gewährte Schutz. Es ist daher einer weiten Ansicht zu folgen, die die Rechtstreue darin erschöpft sieht, dass die Religionsgemeinschaft die Gewähr dafür bietet, dass ihr künftiges Verhalten die fundamentalen Verfassungsprinzipien, Grundrechte Dritter und die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts der Verfassung nicht gefährdet.
Keine islamische Religionsgemeinschaft hat bis zum heutigen Tage die Körperschaftsrechte zuerkannt bekommen. Islamische Religionsgemeinschaften haben sich schon in den 1970er- und 1980er Jahren (damals als einzelne Moscheegemeinden, später als größere Verbände) um die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts bemüht. Die Verleihung der Körperschaftsrechte fällt unter die Zuständigkeit der Länder, meistens ist der Antrag an das jeweilige Kultusministerium zu richten. Einige dieser Anträge wurden abschlägig beschieden oder die Anträge wurden nicht weiter verfolgt.
Auch heute noch wird den islamischen Religionsgemeinschaften die Eigenschaft als „Religionsgemeinschaft“ nicht „anerkannt“. Einer „Anerkennung“ der Religionsgemeinschaft bedarf es nach staatsverfassungsrechtlichem Verständnis nicht. Eine Religionsgemeinschaft hängt nicht – wie der Status der Körperschaft – von einer Zuerkennung ab, sondern eine Religionsgemeinschaft liegt bereits mit „Gründung“ bzw. mit dem Vorliegen der Voraussetzung „eine Vereinigung von mehreren Personen, die durch einen gemeinsamen Glauben innerlich verbunden sind“ vor. Trotz dessen wird den islamischen Religionsgemeinschaften die Eigenschaft als Religionsgemeinschaft abgesprochen. Stattdessen werden Statusgutachten zur Feststellung der Religionsgemeinschaftseigenschaft angefertigt.
Ein weiteres „islamisches Problem“ ist die Anzahl der Mitglieder. Den Muslimen ist die Mitgliedschaft in einer Moschee – die Moscheegemeinden sind zumeist als eingetragene Vereine organisiert – nicht üblich. Der Islam kennt an sich keine besonderen Strukturen und Organisationsformen, sondern vielmehr nur die alle Muslime umfassende islamische Gemeinschaft „umma“, die alle Muslime im gemeinsamen Bekenntnis und der Ausübung der religiösen Pflichten eint.
Falls überhaupt eine Mitgliedschaft in einer Moschee vorhanden ist, dann gilt dies grade. nur für eine Person in der Familie. Die restlichen Familienmitglieder sind offiziell nicht Mitglieder des Moscheevereins. Aus diesem Grunde fallen die aktuellen Mitgliederzahlen und die Zahlen sog. Freitagsgebetsbesucher drastisch auseinander. Bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts dürfte solch ein Auseinanderfallen – nach jetzigem aktuellen staatsreligionsverfassungsrechtlichem Verständnis- nicht erfolgen. Es muss offensichtlich bzw. in irgendeinem Register oder Mitgliederverzeichnis ersichtlich sein, wer Mitglied ist oder nicht.
Es muss nämlich ausgeschlossen werden, „daß die Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts Hoheitsrechte gegenüber Nichtmitgliedern ausübt.“ Dies könnte bei der Antragstellung der islamischen Religionsgemeinschaften ein Problem darstellen. Islamische Religionsgemeinschaften sind dazu übergegangen Registerverzeichnisse anfertigen zu lassen, so dass sich dieses „Problem“ auch beheben lässt. Eine Mindestanzahl der Mitglieder der Religionsgemeinschaft – früher wurde vertreten, dass die Religionsgemeinschaft ein Tausendstel der Einwohner des Bundeslandes ausmachen mussten – ist nicht erforderlich.
Die Nichtanerkennung der islamischen Religionsgemeinschaften in den jeweiligen Ländern ist wie gesehen eher politischer Natur, als wirklich rechtlich problematisch. Durch die Aberkennung der Eigenschaft als Religionsgemeinschaft werden den islamischen Religionsgemeinschaften wichtige Rechte und Privilegien abgesprochen. Die Anerkennung einer islamischen Religionsgemeinschaft hätte nicht nur für die betreffenden islamischen Religionsgemeinschaften Vorteile, sondern auch für das Land. Es wäre ein deutliches Zeichen gegen Fremden – und Islamfeindlichkeit. Darüber hinaus würde dies eine bisher unvergleichliche Chance darstellen, denn durch diesen Akt könnte die Identifizierung mit dem Staat durch die Muslime erfolgen.