Radikale Islam-Gegner machen in den USA mit „Anti-Sharia“-Märschen Stimmung. Bürgerrechts- und Hilfsorganisationen sowie interreligiöse Gruppen halten dagegen. Die Konfrontation findet auf offener Straße statt.
Ihre Anhänger sind wenige, dafür aber landesweit in den USA in Aktion. Sie skandieren fremdenfeindliche Parolen mit rassistischen Untertönen. Der Islam sei ein Krebsgeschwür und die muslimische Kultur mit der US-amerikanischen unvereinbar. Und sie berufen sich dabei auf die Politik Donald Trumps und sein Einreiseverbot für Bürger aus mehreren islamischen Ländern.
Vergangenes Wochenende demonstrierten einige tausend „Anti-Sharia“-Marschierer in rund 25 Metropolen – darunter in New York, Boston, Seattle, Chicago und Denver. Portland untersagte einen Aufmarsch nachdem ein Muslim-Hasser in einer Straßenbahn zwei Menschen niedergestochen hatte, die einer bedrängten Frau zur Hilfe gekommen waren.
In New York behauptete der Frontmann des Anti-Scharia-Marsches, Pax Hart, seine Organisation, der „Amerikanische Kongress für die Wahrheit“ (ACT), schütze die Rechte aller Amerikaner. Ein Mitstreiter packte seine Botschaft in den Satz: „Du bist im Lande von Budweiser und Bikinis, um Gottes willen.“ Wer das nicht möge, könne ja nach Saudi-Arabien oder Syrien gehen.
Das renommierte „Southern Poverty Law Center“ stuft die Vereingiung ACT als „Hassgruppe“ ein. Darin aktiv seien auch Neonazis und Angehörige des Ku-Klux-Klan. ACT gibt an, rund 280.000 Mitglieder an mehr als 1.000 Standorten zu haben.
Die Gruppierung versteht sich als „nationale Sicherheitsorganisation“ im Kampf gegen eine Errichtung einer islamischen Sharia-Rechtsordnung. Die Unterwanderung der US-Justiz durch muslimisches Recht gehört schon seit Jahren zu den Dauerbrennern rechter Verschwörungstheoretiker in den USA.
Eine Behauptung, die ebenso absurd ist wie die Beschwörung einer Gefahr für die Allgemeinheit durch syrische Flüchtlinge. Die USA haben kaum Asylsuchende aus dem Bürgerkriegsland ins Land gelassen. Und diejenigen, die kommen durften, mussten sich genauesten Überprüfungen unterziehen. Es gibt keine Statistik, die belegt, dass die Zahl von Vergewaltigungen, wie von den Marschierenden behauptet, zugenommen hat. Als ihre Gegner machen sie neben der muslimischen Minderheit Demokraten, Kommunisten und die Medien aus. Tatsächlich nimmt die US-amerikanische Zivilgesellschaft die Anti-Sharia-Aufmärsche nicht hin.
Mehr als hundert Bürgerrechtsgruppen und zahlreiche große Religionsgemeinschaften mobilisierten zu Gegenprotesten. Darunter auch Donald Trumps Presbyterian Church, die United Methodist Church und auch der Rat der islamisch-amerikanischen Beziehungen CAIR. Ein klares Signal gegen das weitere Aufheizen des ohnehin schon vergifteten Klimas in den USA.
Seit der Amtsübernahme Trumps nahmen laut CAIR anti-muslimische Hassverbrechen um 44 Prozent zu. Auch Attacken auf Juden oder jüdische Einrichtungen haben deutlich zugenommen. Laut David Bernstein, Präsident des „Jüdischen Rates“, im vergangenen Jahr um 86 Prozent.
Vergangenes Wochenende standen Gegendemonstranten den Teilnehmern der Anti-Sharia-Märsche in vielen Städten im Verhältnis zehn zu eins gegenüber. An mehreren Orten drohten die verbalen Auseinandersetzungen in handgreifliche Konflikte abzugleiten. Nun wird befürchtet, dass diese Konfrontationen auf der Straße zur Routine werden könnten.
Die kirchlichen Organisationen setzen auf friedlichen Protest und Aufklärung. 70 interreligiöse Gruppen schlossen sich zur Kampagne „Kennen Sie Ihre Nachbarn?“ zusammen, um gegen Vorurteile anzugehen. Angeblich, so die Initiatoren, können schon zehn Minuten Dialog zwischen Menschen mit verschiedenen kulturellen und religiösen Hintergründen deeskalierend wirken.
Zumindest in der Theorie. Ob dies auf die Rechtsradikalen Anti-Sharia-Marschierer von ACT zutrifft, muss sich in der Praxis noch erweisen. (KNA/iQ)