Die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) und die Hilfsorganisation Hasene International e. V. veranstalteten heute eine Konferenz mit dem Titel „Rohingya: Krise und Lösungen“. Ziel sei es, die humanitäre Krisensituation sowie mögliche Lösungswege in die Öffentlichkeit zu tragen.
Die Rohingya sind eine in Myanmar entrechtete und verfolgte ethnisch-religiöse Minderheit. Laut den Vereinten Nationen sind die Rohingya weltweit eine der am stärksten unterdrückten Ethnien. Die UN bezeichnete das Vorgehen gegen die muslimische Minderheit der Rohingya in Myanmars Teilstaat Rakhine als Genozid.
Seit Ausbruch der jüngsten Unruhen im August vergangenen Jahres sind laut UNO-Flüchtlingshilfe (UNHCR) rund 615.500 Rohingya nach Bangladesch geflohen. 60 Prozent davon sind nach Schätzungen von der Organisation „Save the Children“, Kinder. Viele Kinder sind schwer traumatisiert von den schrecklichen Dingen, die sie auf der Flucht erlebten.
Um auf das Verbrechen gegen die Rohingya-Muslime aufmerksam zu machen und mögliche Lösungswege zu erörtern, kamen an diesem Mittwoch in Köln internationale Politiker, Künstler, Akademiker sowie Journalisten und Aktivisten auf der Konferenz „Rohingya: Krise und Lösungen“ zusammen. Organisiert wurde die Tagung von der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) und der Hilfsorganisation Hasene International e. V.
Ziel dieser Veranstaltung sei es, die Zivilgesellschaft und die internationale Öffentlichkeit über den andauernden Völkermord an den Rohingya in Myanmar zu informieren und diesen zu beenden, erklärte Mesud Gülbahar, Geschäftsführer von Hasene International e.V. in seiner Eröffnungsrede.
Dabei zitierte Gülbahar eine Überlieferung des Propheten Muhammad (s), in der es heißt, dass wenn einer ein Übel sehe, er es mit seiner Hand ändern soll. Wenn er dazu nicht in der Lage sei, dann solle er es mit seinem Wort ändern, und wenn er selbst dazu nicht fähig sei, dann solle er es mit seinem Herz ändern. „Heute sind wir aus unterschiedlichen Ländern zusammengekommen. Wir haben alle unterschiedlichen Ethnien, Hautfarben und Religionen. Doch haben wir haben eines gemeinsam: das Verbrechen gegen die Rohingya-Muslime zu stoppen“, betonte Gülbahar.
Kemal Ergün, Vorsitzender der IGMG, ging in seiner Begrüßung auf die Situation der Muslime in Myanmar ein. Hunderttausende Rohingya könnten nicht offiziell verheiratet oder ihr Land nicht ohne Erlaubnis verlassen. Sie seien Opfer von Gewalttaten, weil es kein nationales Gesetz gebe, das sie schützt. Die Rohingya seien staatenlos, weil sie kein Heimatland haben, das sie akzeptiert. „Diese Vorstellung, die für uns sehr unangenehm ist, ist die Realität der Rohingya Muslime, und das seit Jahren“, erklärte Kemal Ergün. Den Menschen werden fundamentale Menschenrechte abgesprochen. „Aus diesem Grund ist es als Muslime unsere Pflicht, unsere Stimme zu erheben, Lösungswege zu erörtern und einen Beitrag zu leisten, um dieses Problem zu beenden“, erklärte Ergün weiter.
„Genug ist genug!“, fordert der ehemalige Präsident des australischen Parlaments Hon Philip M. Ruddok. In seinem kurzen Inputvortrag vor dem ersten Panel appellierte er an die internationale Politik, nicht wegzuschauen und den jeweiligen Parteien Sanktionen zu verhängen.
Das erste Podium über „Die Geschichte der Rohingya“ wurde von Prof. Dr. Adib Bahar vom Dawson College geleitet, als Referenten sprachen Prof. Michael W. Charney vom Institut für Orient- und Afrikastudien in London, der Mitbegründer des Euro Burma Büros, Jacob Sterken, und der Vorsitzende der Arakan Rohingya National Organisation (ARNO) Nurul Islam.
Jacob Sterken konzentrierte sich in seinem Vortrag auf die Begrifflichkeiten bezüglich Myanmar und den Rohingya Muslime. Er betonte, dass zunächst bestimmte Begrifflichkeiten erläutert werden müssen, angefangen von der Verteilung der Bevölkerung, die Regierungsform und die Verteilung der natürlichen Ressourcen. Die Bevölkerung in Myanmar bestehe laut Sterken zu 60% aus ethnischen Gruppen und zu 40% von Minderheitengruppen, zu denen auch die Muslime gehören. Seit 1982 gelten sie als staatenlose und illegale Einwanderer, da sie nach einer Gesetzesänderung nicht mehr als Staatsbürger anerkannt werden. Myanmar sei ein nationaler und rassistischer Staat, in dem der Wohlstand und die natürlichen Ressourcen des Landes vom Staat gesammelt und kontrolliert werden. Natur- und Bodenschätze, Erdgas, Wasser, Holz etc. befinden sich meist auf den Ländern der ethnischen Gruppen.
Der Vorsitzende der Arakan Rohingya National Organisation (ARNO) Nurul Islam, der die Schandtaten des Militärs selbst miterlebt hat, berichtete in seiner Rede von den Verbrechen der Regierung an den Muslimen. „Sie wollen uns das Recht auf Leben entziehen!“ Ihr Ziel sei es, eine ethnische Säuberung durchzuführen.
Vor dem zweiten Panel hielt der ehemalige malaysische Außenminister Tansri Dr. Syed Hamid Albar einen Impulsvortrag. Im anschließenden Panel wurde das Verbrechen an den Rohingya thematisiert. Als Referenten haben der burmesischer Menschenrechtsaktivist Dr. Maung Zarni, der Autor und Aktivist Dr. Habib Siddiqui, der Vorsitzende der Burma Task Force Abdul Malik Mujahid und der Chefredakteur der Nachrichtenagentur „Anadolu Agency Mehmet Öztürk am Panel teilgenommen.
Im dritten Teil der Konferenz wurden rechtliche und humanitäre Lösungswege der Krise sowie Möglichkeiten zur Entwicklungshilfe für die Rohingya diskutiert und erarbeitet. Dr. Habib Siddiqui nahm die Rohingya als Beispiel und stellt die Phasen eines Völkermordes dar. „Ein Völkermord ist kein Endziel, sondern ein schleichender Prozess“, so Siddiqui. Eine Phase des Völkermords sei die Entmenschlichung, die vorsieht, ein Volk mit negativen Attributen zu versehen, um die Gesellschaft auf sie zu hetzen. So seien Rohingya-Muslime als „Viren“ und „Viecher“ dargestellt worden, die eliminiert werden müssten, betonte Siddiqui.
Im anschließenden vierten und letztem Panel der Konferenz kamen die Flüchtlingskoordinatoren von Amnesty International, Dr. Graham Thom, die Anwältinnen Regina Paulose und Razia Sultana (Skype-Verbindung), die Vorsitzende der Organisation „Mothers of Srebrenica“ und die Juristische Direktorin der Open Society Justice Initiative über die Rohingya-Frauen zu Wort.