Anja Hilscher behauptet: Der Islam hat ein Imageproblem. Ganz anders als die fernöstlichen Religionen und Weltanschauungen: „Die meisten Leute finden den Islam genauso unsympathisch wie sie den Buddhismus oder Taoismus sympathisch finden.“ Denn Yin und Yang ist in, der Islam ist out und die Zeit, in der der Islam in Europa cool war ist schon längst vorbei.
In vielen Köpfen wird der Islam mit den negativsten Schlagzeilen in Verbindung gebracht. Machos, die ihre Frauen zum Kopftuch zwingen, unangenehme Menschen, die grausame Ansichten haben. Hilscher ist sich sicher, Islam präsentiert sich „als eine einzige Katastrophe und das perfekte Hassobjekt.“ Anja Hilscher greift genau dieses Problem in ihrem BuchImageproblem – Das Bild vom bösen Islam und meine bunte muslimische Welt auf und möchte am liebsten alle Vorurteile beseitigen. Als deutsche Muslima, die seit ihrem halben Leben Konvertitin ist, spürt sie am eigenen Leibe, wie tiefgreifend ihre Entscheidung war. Denn seit 2001 sind die Muslime nicht nur die bösen Täter, sonder auch die Opfer einer Diffamierungskampagne, die vor allem in Deutschland in den letzten Jahren Wellen schlägt und schlimmer: Früchte trägt. Dabei kennt die Autorin sowohl die deutsche als auch muslimische Perspektive. Das macht das Buch interessanter, denn so serviert sie schon mal die gängigen Vorurteile, bevor man aufgeklärt wird. Man kann leicht schmunzeln und nickend zugeben: „Diesen Satz habe ich schon mal gehört„ oder „diesen Satz habe ich schon mal gesagt“. Den vorurteilbehafteten Menschen liest die Autoren förmlich die Gedanken. Dem muslimischen Leser jedenfalls sind viele Stereotypen, die im Buch angesprochen werden sehr wohl bekannt und man könnte meinen, dass man mindestens mit einem Dutzend dieser konfrontiert wurde.
Die Autorin möchte aber hauptsächlich Nicht-Muslimen eine “bunte Welt“ des Islam zeigen. In ihrem Buch richtet sie sich nicht an festgefahrene Islamfeinde, die ihren Hass bestätigen wollen (diesen rät sie sogar das Buch erst gar nicht zu lesen), sondern an Interessierte, die den Islam noch nicht kennen, als etwas Fremdes auffassen, aber sich gerne selbst ein Bild von dieser heißdiskutierten Religion machen wollen. Wer den Islam nur von den negativen Medienberichten kennt, wird überrascht sein. Wenn man also dieses Buch liest, sollte man die Bereitschaft mitbringen sich von seinen liebgewonnen Vorurteilen zu trennen.
In 18 Kapiteln setzt sich Anja Hilscher mit einer deutlich frechen und humorvollen Sprachen mit den viel diskutierten Themen wie Gleichberechtigung, Barmherzigkeit, Extremität, Kopftücher und Sexualität auseinander und untermauert ihre Argumente mit Quellen aus dem Koran und den Überlieferungen des Propheten. Hilscher schreibt einfach und verständlich. Obwohl das Thema brenzlig ist, bekommt sie es hin, ihre Aufklärung mit viel Ironie und Sarkasmus zu würzen. Sie schafft es, die verwickelte Diskussion über den Islam und die Muslime auf die humorvolle Art zu verarbeiten ohne dabei den Ernst der Thematik zu vergessen. Angesichts einiger trauriger Vorurteile und der schwierigen Situation diese erklären zu müssen, möchte man fast meinen, dass das die beste Art ist, sich auszudrücken.
Auch wenn der Titel „Imageproblem: Das Bild vom bösen Islam und meine bunte muslimische Welt“ lautet, geht es in dem Buch nicht hauptsächlich um die Welt von Hilscher, sondern um die Lebensart aller Muslime und vor allem um den Islam an sich. Dass der Alltag oder die Lebensart einer Muslima etwas zu kurz kommt ist sicherlich eine Schwäche des Buches. Eine Stärke dagegen ist es, dass die Autorin auch die Muslime kritisiert. Selbstkritisch erinnert sie die Muslime daran, dass Sauberkeit die „Hälfe des Glaubens“ ist und schreibt: „Man darf sich als Muslim also durchaus rein halten, und tatsächlich ist es auch nicht verboten, dasselbe mit der Umwelt zu tun. Mehr noch: Man muss es sogar (tut es aber nicht).“ Selbst zum Thema Tierschutz gibt es Überlieferungen. Die Praxis jedoch, gibt Hilscher zu, sieht ganz anders aus.
Das Buch ist eine gute Einstiegslektüre für Interessierte, die sich bei Bedarf auch andere Quellen zur Informationsbeschaffung heranziehen sollten. Viele Punkte werden nicht ausführlich angesprochen, das würde aber auch den Rahmen des Buches sprengen. Nachdem ein Nicht-Muslim das Buch gelesen hat, wird er/sie sicherlich kein(e) Islamexperte/-in, aber das ist auch nicht die Absicht der Autorin. Es genügt, wenn man die Muslime etwas besser verstehen kann und bei der Konfrontation mit negativen Schlagzeilen hinterfragend urteilen kann.
Anja Hilschers Erstwerk ist ein Aufruf an alle Nicht-Muslime den Islam von einer anderen Seite zu entdecken und an alle Muslime, den Islam in seinem ursprünglichem Sinn zu verstehen und danach zu handeln. In ihrem letzten Kapitel kommt die Autorin unter anderem zu der Erkenntnis, “das, was uns heute in Form von Gewaltbereitschaft, Intoleranz und Dogmatismus in Kombination mit moralischem Überlegenheitsgefühl von mehreren Seiten als ‘Islam’ verkauft wird, gar nicht der Islam ist. Der Geist des wahren Islam ist ein ganz anderer und hält irgendwo einen ziemlich ausgedehnten Winterschlaf.”