Religiöse Toleranz

Steinbrück für getrennten Schwimm- und Sport-Unterricht

Der SPD-Politiker und Kanzler-Kandidat Peer Steinbrück steht erneut in der Kritik. Auslöser sind jüngste Äußerungen Steinbrücks zum gemeinsamen Schwimm- und Sportunterricht von Jungen und Mädchen an öffentlichen Schulen.

05
04
2013
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Laut BILD-Zeitung hat sich der Kanzler-Kandidat auf einer „Klartext“-Veranstaltung im Berliner Tempodrom, für den getrennten Schwimm- und Sport-Unterricht an öffentlichen Schulen ausgesprochen. Auf die Frage eines Schülers, wie weit religiöse Toleranz beim Thema Schwimm- und Sport-Unterricht gehen dürfe, sagte Steinbrück: „Wenn die Schulen es einrichten können, sollten sie da Rücksicht auf die religiösen Gefühle nehmen und getrennten Sportunterricht anbieten.“ Der SPD-Politiker betonte jedoch, dass es sich bei dieser Antwort um eine persönliche Sicht und Meinung handele. Das Thema sei sehr heikel und es gäbe viele Meinungen in dieser Frage.

Peer Steinbrück erntete für seine Antwort Kritik aus dem Lager der Regierungs-Koalition. Politiker von CDU und FDP bezeichneten die Aussage von Steinbrück als rückwärtsgewandt und integrationsfeindlich. Eine Trennung beim Schwimm- und Sport-Unterricht würde sich gegen den Gedanken der Integration richten, sagte beispielsweise Integrationsministerin Maria Böhmer (CDU).

Rechtsprechung erlaubt Trennung

Eine Trennung nach Geschlechtern im Unterricht, ist in Deutschland durchaus üblich und erlaubt. So gibt es in verschiedenen Bundesländern Lehrpläne, die eine klare Trennung nach Geschlechtern im Sport- und Schwimmunterricht vorsehen. Umgesetzt werden solche Vorgaben unter anderem in Bayern und Baden-Württemberg.

In der aktuellen Debatte wird zudem ein wegweisendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1993 ausgeblendet. ((BVerwG 6 C 8.91.)) Darin wird deutlich gemacht, „dass die Schulverwaltungen verpflichtet sind, alle ihr zu Gebote stehenden, zumutbaren organisatorischen Möglichkeiten auszuschöpfen, einen nach Geschlechtern getrennten Sportunterricht einzurichten und anzubieten.“ Sollte die Schulverwaltung dies nicht schaffen, dann, aber auch nur dann, besteht auch ein Anspruch auf Befreiung vom koedukativen Unterricht – zumindest für Mädchen ab einem Alter von 12 Jahren.

Anders sieht die Rechtsprechung bei Kindern unter 12 Jahren aus. Hier gibt es Urteile, die besagen, dass es bei Grundschülern, die noch nicht die Pubertät erreicht haben, zu keinen Gewissens- oder Glaubenskonflikten kommen kann, wenn sie am gemischten Schwimm- oder Sport-Unterricht teilnehmen. Daher ist die Teilnahme – auch wenn er gemischt stattfindet – für diese verpflichtend. ((Oberverwaltungsgericht Bremen 1 B 99/12))

In neueren Urteilen kamen Gerichte zusätzlich zur Auffassung, dass das Tragen eines sogenannten „Burqinis“ die Glaubens- und Gewissenskonflikte von muslimischen Mädchen beim Schwimmunterricht lösen könnten. Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ist ein Verfahren in einer solchen Angelegenheit anhängig, und soll noch in diesem Jahr verhandelt werden. ((BVerwG 6 C 25.12))

Schulen mit hohen Migranten-Anteilen haben sich seit einigen Jahren stärker auf diese möglichen Probleme eingestellt. Eine Umfrage des Interkulturellen Rates aus dem Jahr 2007 brachte jedoch schon damals hervor, dass Befreiungen vom Schwimm- oder Sport-Unterricht, aus religiösen Gründen, in der Praxis seltener vorkommen, als gemeinhin von Politik und Gesellschaft angenommen.