Eine aktuelle Studie aus den USA räumt mit gängigen Klischees über Muslime auf und gibt einen großen Überblick zu den Ansichten über Themen wie Scharia, Religionsfreiheit, Extremismus und Moral.
Das amerikanische Meinungsforschungsinstitut „Pew Research Center“ hat eine weltweite Studie über die Ansichten von Muslimen vorgestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass Muslime vielfältige Meinungen, nicht nur in Glaubensfragen, sondern auch zu politischen und gesellschaftlichen Themen haben.
Die meisten Muslime sind laut Studie tief religiös und wünschen sich, dass die islamischen Werte nicht nur im Privaten sondern auch im gesellschaftlichen und politischen Bereich gelebt werden.
In vielen muslimischen Ländern glauben die Muslime, dass der Islam die einzig wahre Religion ist. Die meisten Muslime stimmen zudem der Aussage zu, dass der Glaube an Gott wichtig sei, um eine moralische Person zu sein. Eine große Mehrheit befürwortet den Ergebnissen zufolge, dass religiöse Führer Einfluss auf die Politik nehmen sollten.
Eine hohe Zahl von Muslimen befürwortet laut Studie die Einführung der Scharia als geltendes Gesetz. Während in der Türkei (3,5%) und in Aserbaidschan (6,8%) die Zahl der Befürworter am Geringsten sind, gibt es in Afghanistan mit 99% die meiste Unterstützung für eine solche Forderung. Es zeigt sich, dass vor allem in Nord-afrikanischen Ländern und in Süd-Asien große Mehrheiten für die Einführung der Scharia existieren. Die Zustimmung für die Einführung ist besonders hoch in Ägypten (74%) und in Palästina (89%).
Die Ergebnisse der Studie zeigen aber auch, dass die Unterstützung der Scharia – entgegen der weit verbreiteten Ansicht – einhergeht mit einer starken Unterstützung der Religionsfreiheit Andersdenkender.
Beispielsweise sind drei Viertel der Menschen in Pakistan der Meinung, dass Nicht-Muslime ihren Glauben frei leben können sollten. 84% der Pakistaner befürworten die Einführung der Scharia als offizielles Gesetz. Diese Ansichten sind laut „Pew Research Center“ dadurch erklärbar, dass die Scharia nur für Muslime gelten soll – ähnlich sieht es in vielen weiteren Ländern aus.
Es gibt laut Studie große Unterschiede im Verständnis darüber, was Scharia bedeutet. Für die meisten Muslime sei es wichtig, dass die Scharia für den privaten Bereich, also Themen wie Familienrecht, gelte.
Es gebe zudem einen Zusammenhang zwischen der Befürwortung der Scharia und der Praktizierung des Gebets. In Staaten, in denen fünf mal am Tag gebetet wird, sei die Befürwortung für die Scharia um 25 Punkte höher als in Staaten wo dies nicht stattfinde. Die Studie hebt hervor, dass die Befürwortung der Scharia auch vom Alter, dem Geschlecht und der Bildung der Muslime abhängt. So sind Ältere, Frauen und Personen mit einer besseren Bildung tendenziell distanzierter gegenüber der Scharia eingestellt.
Die Mehrheit der Muslime spricht sich zudem gegen Körperstrafen und Folter aus. So wird das Abhacken der Hand von Dieben oder die Tötung von Apostaten weitestgehend abgelehnt.
In den meisten Ländern hat laut Studie die Mehrheit von muslimischen Frauen und Männern der Meinung zugestimmt, dass die Frau ihrem Mann gehorchen müsse. Laut Erhebung sind Neun von Zehn Muslimen im Irak, Marokko, Tunesien, Indonesien, Afghanistan und Malaysia dieser Meinung. Gleichzeitig spricht sich eine Mehrheit dafür aus, dass Frauen selbst entscheiden sollten, ob sie ein Kopftuch tragen wollen oder nicht.
Die große Mehrheit der Muslime sieht zudem kein Problem zwischen einem religiösen und einem modernen Leben. Auch gibt es für sie kein Problem zwischen Religion und Wissenschaft. Die Demokratie wird in den meisten Ländern vor autoritären Regimen bevorzugt. Auch der Konsum von westlichen Fernsehsendungen, Musik und Filmen sind für die meisten Muslime kein Problem. Gleichzeitig wurde von den gleichen Muslimen die Sorge geäußert, dass die Moral in der Gesellschaft durch solche Filme und Musik untergraben werden könnte.
Die meisten Muslime lehnen laut Studie Prostitution, Homosexualität, Selbstmord, Abtreibung und Euthenasie und den Konsum von Alkohol ab.
Die Ergebnisse der Studie können im praktischen PDF-Format hier heruntergeladen werden.
Ansichten über Polygamie, Scheidung und Geburtenkontrolle variieren jedoch von Land zu Land. Beispielsweise lehnen 96% der Muslime in Bosnien und Herzegowina, Polygamie ab, während die Hälfte der Menschen in Palästina und Malaysia diese befürwortet.
Die Hälfte aller Befragten zeigte sich besorgt über religiösen Extremismus. Diese Sorge ist vor allem in Ländern wie Ägypten (67%), Tunesien (67%), Irak (68%), Gine Bissau (72%) und Indonesien (78%) besonders hoch.
Terror und Gewalt im Namen des Islam wird von der großen Mehrheit der Muslime weltweit abgelehnt. Einzig in Afghanistan und Palästina finden sich Mehrheiten, die solch eine Form der Auseinandersetzung befürworten.
Interessant ist auch die Ansicht zum Thema „Ehrenmord“. Die meisten Muslime lehnen diese Praxis ab. Einzig im Irak und in Afghanistan finden sich jedoch Mehrheiten für diese Praxis, wonach Frauen, die Schande über ihre Familien gebracht haben, getötet werden sollten.
Die Studie des „Pew Research Center“ wurde in zwei Abschnitten durchgeführt. Die ersten Befragungen gingen im Jahr 2008 los. Die letzte Befragung fand im Jahr 2012 statt. Ein Teil der Ergebnisse der Studie wurden bereits in der Zusammenfassung: „The World’s Muslims: Unity and Diversity“ veröffentlicht. Die jetzige Publikation widmet sich stärker den sozialen und politischen Ansichten der Muslime und bringt die bisherigen Ergebnisse mit neueren Erkenntnissen zusammen.