Die unbekannte Mitte der Welt – Globalgeschichte aus islamischer Sicht fügt den europäischen Geschichtsbüchern den fehlenden Blickwinkel hinzu.
Als Tamim Ansary vor 12 Jahren das Inhaltsverzeichnis eines amerikanischen Schulbuches entwerfen sollte, musste er seinen Auftraggeber davon überzeigen, dass dem Islam ein größerer Platz eingeräumt wird.
Am Ende war der Islam nur Thema in einem der dreißig Kapitel. Die anderen Kapitel derselben Einheit behandelten die prähispanische Zivilisation auf dem amerikanischen Doppelkontinent und die afrikanischen Reiche des Mittelalters.
Es war für ihn unverständlich, dass ausgerechnet der Islam und seine Verbreitungsgeschichte in den meisten westlichen Universalgeschichten kaum berücksichtigt wird. Deshalb fragte er sich, was passieren würde, wenn man die Weltgeschichte aus islamischer Sicht betrachtet. Die unbekannte Mitte der Welt – Globalgeschichte aus islamischer Sicht ist die Antwort darauf.
Tamim Ansary platziert die Verbreitungsgeschichte des Islams in das Zentrum der Weltgeschichte und möchte damit bewirken, dass der Westen den Bezugsrahmen der islamischen Welt versteht. Er stellt mit seinem Buch die Geschichte der islamischen Welt als eine alternative Weltgeschichte dar und arbeitet dabei Parallelen zur Geschichte der westlichen Welt heraus.
Beginnend mit der Geburt des Propheten Muhammad spannt Ansary den Bogen vom ersten Kalifen über das Osmanische Reich und die Kolonialzeit bis hin zur Gegenwart. Während er den Blick für die islamische Perspektive öffnet, lässt er auch aktuelle Konflikte neu entdecken und verstehen. Es ist ihm wichtig, die Vergangenheit nicht nur durch die kulturelle oder nationale Brille zu betrachten und zu erzählen und vor allem die eurozentrische Sicht aufzubrechen.
Ansary schreibt, dass die islamische Welt jahrzehntelang das Zentrum der Zivilisation war. Heute wird der Islam oft mit Gewalt und Terrorismus in Verbindung gebracht, sodass die Menschen in eine Konfrontationshaltung kommen: „der Westen“ gegen „den Islam“, „wir“ gegen „die“. Für Ansary ist das Problem nicht dadurch entstanden, dass die Seiten verschiedenen Religionen angehören oder oft ein anderes politisches System haben, sondern weil beide Seiten aneinander vorbeireden. Er schreibt, dass es eine Reibung zwischen „zwei aufeinandertreffenden, aber nicht aufeinanderpassenden Weltgeschichten“ gibt.
Das wird vor allem in Schulbüchern deutlich. Das Bild des Islams ist in den Büchern von Vorurteilen geprägt, Muslime werden als eine homogene Masse dargestellt, die oft mit Konflikten in Zusammenhang gebracht werden. Das westliche Weltbild wird der islamischen Kultur und ihrer Bedeutung für das Weltgeschehen in keiner Weise gerecht.
Das Buch ist keine fachwissenschaftliche Abhandlung, sondern eine teils lebendig, teils witzige Erzählung über die Weltgeschichte von einem Autor, der in beiden Welten zu Hause ist und beiden mit Kritik und auch mit Sympathie begegnet.