Ein per Schulordnung festgelegtes Kopftuchverbot an einer Schule im schweizerischen Thurgau ist vom Bundesgericht aufgehoben worden. Der Fall ist keine Grundsatzentscheidung, könnte aber für künftige Fälle von Bedeutung sein.
Das schweizerische Bundesgericht hat ein bestehendes Kopftuchverbot an einer Schule im Thurgau aufgehoben. Die Richter stimmten einstimmig für eine Abweisung der Klage einer Thurgauer Gemeinde. Trotz der eindeutigen Entscheidung handelt es sich dennoch nur um eine Einzelfallentscheidung. Zu einer Grundsatzentscheidung konnte und wollte sich das Bundesgericht nicht durchringen.
In dem Fall vor dem Bundesgericht ging es um zwei 17-jährige mazedonische Mädchen, die das Kopftuch aus religiösen Gründen tragen. In der Schulordnung der Schule in Bürglen im schweizerischen Thurgau heißt es, dass die Schule zum Ziel „eines vertrauensvollen Umgangs ohne Kopfbedeckung besucht wird.“ Daher sind neben anderen Kopfbedeckungen wie Hüten auch Kopftücher verboten.
Die beiden Mädchen stellten im Jahr 2011 einen Antrag auf eine Sondererlaubnis zum Tragen des Kopftuchs, dass von den Behörden abgelehnt wurde. Schließlich landete der Fall vor Gericht. In erster Instanz wurde noch gegen das Anliegen der Mädchen entschieden, was jedoch in zweiter Instanz aufgehoben wurde. Das Verwaltungsgericht urteilte damals, dass ein Kopftuchverbot ein massiver Eingriff in die Glaubens- und Gewissensfreiheit darstellt. Außerdem gäbe es keine rechtliche Grundlage für ein Kopftuchverbot. Die Maßnahme sei zudem unverhältnismäßig.
Die beiden betroffenen Mädchen besuchen seitdem die Schule mit Kopftuch. Die Gemeinde wollte jedoch Rechtssicherheit und zog vor das Bundesgericht. Diese wies die Klage nun in letzter Instanz im Sinne der zwei Schülerinnen ab und bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz.
Rifaat Lenzin, Vorstandsmitglied der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS) erklärte zur Entscheidung: „Die Bundesrichter beweisen damit, dass der Rechtsstaat funktioniert.“ Hischam Maizar vom Dachverband islamischer Gemeinden zeigte sich über das Urteil erfreut. Die Gerichtsentscheidung sei ein „Meilenstein“. „So kann die heterogene Gesellschaft ihren Weg in Frieden und gutem Einvernehmen zueinander finden“, erklärte Maizar abschließend.
Rechtsanwalt und grüner Nationalrat Daniel Vischer, der die beiden Mädchen juristisch vertreten hat, zeigte sich erleichtert aber auch etwas enttäuscht. Das Urteil sei ein klarer und eindeutiger Sieg, aber er hätte sich eine Grundsatzentscheidung der Bundesrichter gewünscht.
„Das Bundesgericht hat sich mit der juristischen Grundlage begnügt. Es wurden keine weitergehenden Pflöcke eingeschlagen, sodass man nicht von einem Grundsatzurteil sprechen kann“ erklärte Vischer. Er ist allerdings der Auffassung, dass „Verfechter des Kopftuchverbots“ es „in nächster Zeit am Bundesgericht schwer haben“ werden.