Das Urteil des Bundesverwaltungsgericht zum koedukativen Schwimmunterricht führt zu Kontroversen – auch unter Muslimen. Während der Zentralrat der Muslime das Urteil begrüßt, kritisiert die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş die Leipziger Richter.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am Mittwoch entschieden, dass muslimische Schülerinnen keine regelmäßige Befreiung vom koedukativen Schwimmunterricht verlangen können, wenn es die Möglichkeit gibt, beim Schwimmen einen „Burkini“ zu tragen. Dieser Richterspruch ist seit seiner Verkündung Gegenstand kontrovers geführter Debatten. Auf der einen Seite wird das Urteil kritisiert, auf der Anderen begrüßt.
So etwa der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD). Aus Sicht des ZMD sei ein Ganzkörperanzug „islamisch angemessen und tragbar“, erklärte ZMD Vorsitzender Aiman Mazyek der Nachrichtenagentur dpa. Mazyek schob allerdings ein, dass die Glaubens- und Gewissensfreiheit zu respektieren sei. Es sei problematisch, dass das Gericht dem „Selbstbestimmungsrecht der Klägerin nicht mehr Raum gegeben hat.“
Bereits in der Vergangenheit hatte sich der ZMD mit einem eigenen Gutachten für das Tragen von „Burkinis“ als Alternative zur Geschlechtertrennung beim Schwimmunterricht ausgesprochen.
Anders bewertet der stellvertretende Vorsitzende der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), Mustafa Yeneroğlu, den Richterspruch aus Leipzig. Das BVerwG habe sich „vom öffentlichen Diskurs über Muslime und über den Islam“ dazu verleiten lassen, seine eigenen Grundsätze aufzugeben. „Das Gericht hat sich auf Kosten von Grundrechten der nicht näher definierten Integrationspolitik gebeugt“, erklärte Yeneroğlu am Donnerstag in Köln.
Das Urteil bestätigte nur die „religionspolitisch intendierte Entwicklung der letzten Jahre, im Namen einer nicht näher definierten Integrationspolitik die Religionsfreiheit von Muslimen möglichst einzuschränken.“ Das Bundesverwaltungsgericht beuge sich unkritisch dieser Entwicklung. Die IGMG stellt zudem die Frage, ob der Staat in dieser Form in das Erziehungsrecht der Eltern eingreifen und die Eltern quasi bevormunden darf. Gleichzeitig weist die IGMG auf einen möglichen Gewissenskonflikt bei Schülerinnen hin, den der Staat nicht einfach so „wegwischen“ dürfe.
Auch in der Netzgemeinde sorgt ein öffentlich gewordener Text für Aufsehen. Eine Muslima stellt in einem Brief an den Zentralrat der Muslime die Frage, ob dieser nicht den Muslimen in den Rücken falle, wenn der „Burkini“ als islamisch „angemessen und tragbar“ bezeichnet wird. Die Muslima aus Bonn stellt auch die Frage, ob man sich als ZMD überhaupt in die Rolle und Position des muslimischen Mädchens versetzt habe.
In sozialen Netzwerken wird das Urteil des BVerwG und die Positionen der islamischen Religionsgemeinschaften kontrovers diskutiert. Es darf davon ausgegangen werden, dass die Diskussionen noch eine Weile anhalten werden.