Die Entscheidung, welche Partei man wählen sollte, ist bei vielen Wählern noch nicht gefallen. Da lohnt sich ein Blick auf die Wahlprüfsteine der Perspektif-Redaktion. IslamiQ dokumentiert die Antworten der im Bundestag vertretenen Parteien im Tagesrhythmus. Heute geht es um die Frage ob sich die Parteien vostellen können, dass Lehrerinnen mit Kopftuch an staatlichen Schulen unterrichten.
Kann sich Ihre Partei vorstellen, dass Lehrerinnen an öffentlichen Schulen mit Kopftuch unterrichten?
Es kann auch im Bereich der Religionsfreiheit zur Notwendigkeit kommen, eine Güterabwägung zwischen verschiedenen grundrechtlich geschützten Positionen zu finden. Dies gilt etwa in öffentlichen Schulen mit Blick auf die Religionsfreiheit der Lehrer, die Religionsfreiheit der Schüler und das elterliche Erziehungsrecht. Nach dem Bundesverfassungsgericht steht es dem zuständigen Landesgesetzgeber frei, die fehlende gesetzliche Grundlage für ein Kopftuchverbot zu schaffen. In verschiedenen Bundesländern wurden unterschiedliche Regelungen beschlossen, die unter anderem das Verbot des Tragens eines Kopftuches an Schulen betreffen. Daher lehnen CDU und CSU das Tragen von Kopftüchern in Schulen ab.
Religionsfreiheit gewährleistet das Grundgesetz vorbehaltlos. Grenzen ergeben sich durch andere Grundrechte und Güter von Verfassungsrang. Darauf beruhen Regelungen für besondere Bereiche des öffentlichen Dienstes. Das Bundesverfassungsgericht hat 2006 ausgeführt: „Das an Lehrer an öffentlichen Schulen gerichtete Verbot des Tragens religiöser Symbole, die geeignet sind, religiöse oder weltanschauliche Empfindungen zu stören oder den Schulfrieden zu gefährden, begegnet … keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, so lange der Staat sowohl bei der Begründung als auch in der Praxis der Durchsetzung dieser Dienstpflichten auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften achtet und sich nicht mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifiziert.“
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen dafür ein, dass der Staat die Religionen konsequent gleich behandelt und keine privilegiert. Allerdings gibt es auch in unserer Partei unterschiedliche Auffassungen, wie im Spannungsfeld zwischen der Religionsfreiheit einerseits und dem Anspruch auf staatliche Neutralität in der Schule andererseits zu entscheiden ist. Da im Schulbereich die Länder zuständig sind, müssen die jeweiligen Landesgesetzgeber eine für alle gangbare Regelung finden. Die grüne Partei setzt sich für eine Gleichberechtigung des Islam in Deutschland ein, kämpft gegen jegliche Form der Diskriminierung aufgrund religiöser Überzeugungen und lebt auch intern Toleranz und Miteinander, wie etwa der Arbeitskreis „Grüne Muslime“ im Landesverband NRW zeigt.
Bei dieser Frage bewegt man sich in einem Spannungsverhältnis zwischen Bundes- und Länderkompetenzen, öffentlicher neutraler Aufgabenwahrnehmung und der freien Religionsausübung. Diesen Bereich auszutarieren ist eine schwierige Aufgabe. Im Unterschied zu der Türkei, hat es an Deutschlands Hochschulen nie ein Verbot gegeben, dass Studenten das Tragen religiöser Symbole untersagt hat. Das bedeutet, dass eine muslimische Abiturientin ein Lehramtsstudium aufnehmen kann, ohne sich um entsprechende Vorgaben sorgen zu müssen. Gleichzeitig muss darauf hingewiesen werden, dass in rund der Hälfte der Bundesländer, entsprechend der Empfehlung der Türkischen Gemeinde in Deutschland für einen toleranten Islam, das Tragen von Kopftüchern im Schuldienst untersagt ist. Dies sollte mit Blick auf die Berufswahl beachtet werden.
Wir setzen uns für die Religionsfreiheit aller in Deutschland lebenden Menschen ein. Dazu gehört, dass keine Religion staatlich bevorzugt und keine benachteiligt wird. Die Bevorzugung christlicher Symbolik in Schulen oder öffentlichen Gebäuden, beispielsweise durch sichtbar angebrachte Kruzifixe in Klassenzimmern, ist mit diesem – im Grundgesetz verankerten – Prinzip nicht vereinbar. Andererseits darf den Menschen, die in öffentlichen Einrichtungen arbeiten, im Hinblick auf ihre persönliche Religionsfreiheit nicht verwehrt werden, eine Kruzifix-Halskette oder ein Kopftuch als Ausdruck ihrer individuellen religiösen Überzeugung zu tragen.