Die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen hat Verhandlungen über einen Staatsvertrag mit den muslimischen Religionsgemeinschaften DITIB und Schura aufgenommen. Die Religionsgemeinschaften fordern eine Anerkennung als Körperschaft des Öffentlichen Rechts und die Abschaffung des Kopftuchverbots für Lehrerinnen.
Das Land Niedersachsen hat offizielle Gespräche über einen eigenständigen Staatsvertrag mit der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) und dem Landesverband der Muslime in Niedersachsen (Schura) aufgenommen. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) unterzeichnete am Montag im Gästehaus der Landesregierung in Hannover eine entsprechende Absichtserklärung. Die rot-grüne Landesregierung wolle für eine stärkere Teilhabe der Muslime sorgen, sagte der Ministerpräsident.
Zu den Vertretern der Glaubensgemeinschaften sei über die Jahre ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut worden. Er sei zuversichtlich, auf dieser Basis auch gute Verhandlungsergebnisse zu erzielen. Auch der Vorsitzende der DITIB, Yılmaz Kılıç, und der Vorsitzende der Schura Niedersachsen, Avni Altıner, bezeugten jeweils mit ihrer Unterschrift und einer mündlichen Erklärung den Willen, eine entsprechende Vereinbarung schließen zu wollen.
Gegenstand des Vertrages soll die Gestaltung der künftigen Beziehungen zwischen dem Land Niedersachsen und den Religionsgemeinschaften sein. Die Vertragsverhandlungen werden unter der Federführung des niedersächsischen Kultusministeriums geführt. Die Vertragsverhandlungen sollen in den kommenden Monaten getrennt mit der DITIB und der Schura geführt werden. Mitglied der Schura sind unter anderen die Gemeinden der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) und die des Verbandes der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) in Niedersachsen.
Die muslimischen Gemeinschaften hatten im Vorfeld erklärt, dass sie eine rechtliche Gleichstellung mit den Kirchen und den Jüdischen Gemeinden anstreben. Die Religionsgemeinschaften fordern entsprechend zusätzlich zum Staatsvertrag eine Anerkennung als Körperschaft des Öffentlichen Rechts. Anderenfalls wäre der Vertrag aus der Sicht der Muslime nicht viel mehr Wert, als eine Bündelung bestehender Regelungen.
In der Vergangenheit hatten die muslimischen Religionsgemeinschaften bereits einzelne Vereinbarungen und Regelungen mit der damaligen (schwarz-gelben) Landesregierung getroffen. So sind in Niedersachsen Themen wie muslimische Bestattungen, die Gefängnisseelsorge und der Religionsunterricht bereits geklärt und werden laut Religionsgemeinschaften in einer vertrauensvollen Zusammenarbeit umgesetzt.
Trotz aller positiver Bekundungen gibt es auch strittige Themen: Die Religionsgemeinschaften plädieren für eine Abschaffung des Kopftuchverbots für Lehrerinnen. Die Landesregierung will von der Praxis nicht gänzlich abrücken, denkt aber über Lösungen nach.
Staatsverträge mit muslimischen Religionsgemeinschaften existieren bereits in Hamburg und Bremen. Nach Expertenaussagen haben die bisherigen Verträge allerdings eher deklaratorischen Charakter. Die Beziehungen zwischen Land und Religionsgemeinschaften, vor allem im Hinblick auf die vollumfängliche Gewährung von korporativen Rechten sowie im Vergleich zu den Verträgen mit Kirchen und jüdischen Gemeinden, werden in den Verträgen mit islamischen Religionsgemeinschaften nicht umfassend geregelt.