Baden-Württemberg

Runder Tisch Islam über Religionsunterricht und Homosexualität

Kritik an der Zusammensetzung, Kritik an der Themenwahl. Der fünfte Runde Tisch Islam in Baden-Württemberg wird von der Integrationsministerin gefeiert, von den Muslimen jedoch kritisiert. Liegt eine Ausgrenzung und Bevormundung von Muslimen vor?

08
10
2013
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Unter dem Vorsitz von Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) kam am Montag in Baden-Württemberg zum fünften Mal der Runde Tisch Islam zusammen. Unter Teilnahme verschiedener gesellschaftlicher Akteure und Religionsgemeinschaften wurden die Themen islamischer Religionsunterricht und der Umgang von Muslimen mit Homosexualität thematisiert. Eine der größten muslimischen Gemeinschaften, die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg, gehörte erneut nicht zu den Eingeladenen.

Derzeit wird im Rahmen eines Modellversuchs an 25 Grundschulen und fünf Hauptschulen sunnitischer „Religionsunterricht“ angeboten – ohne dass eine muslimische Religionsgemeinschaft daran mitwirkt. Dem Baden-Württembergischen Kultusministerium liegen Anträge auf Trägerschaft für den islamischen Religionsunterricht durch die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW), der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) und dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) vor. Eine Entscheidung über die Anträge wird laut Kultusministerium geprüft und dürfte noch mindestens sechs Monate dauern.

Stoch: Wir brauchen einheitlichen Ansprechpartner

Kultusminister Andreas Stoch (SPD) zeigte sich mit dem bisherigen Verlauf des islamischen „Religionsunterrichts“ zufrieden. Die bisherigen Erfahrungen seien sehr gut und auch die Nachfrage nach dem Modellprojekt sei groß. Die Landesregierung strebe deshalb an, im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten das Angebot auszubauen.

Das Kultusministerium formulierte jedoch seine Erwartung, dass die muslimischen Gemeinschaften möglichst einen einheitlichen Ansprechpartner stellen: „Das Kultusministerium appelliert an die islamischen Verbände, sich zur Etablierung eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts in der Fläche gemeinsam um einen einheitlichen Ansprechpartner zu bemühen und bietet an, dazu einen Dialogprozess mit den Verbänden zu moderieren“, erklärte Stoch.

Bisher war es den muslimischen Gemeinschaften in Baden-Württemberg nicht gelungen, eine gemeinsame Vertretungsstruktur aufzubauen. Insbesondere der alleinige Vorstoß des DITIB Landesverband Baden-Württembergs, alleine einen Antrag auf Trägerschaft für den islamischen Religionsunterricht, soll diese Bestrebungen verhindert haben. Nun werden die Gemeinschaften unter Moderation des Kultusministeriums wohl doch einen Weg zur Kooperation finden müssen.

Öney fügte hinzu: „Viele muslimische Eltern wollen, dass ihre Kinder Wissen über den Islam erwerben. Mir geht es um die Fragen wo, wie und durch wen? Vor diesem Hintergrund muss der islamische Religionsunterricht an staatlichen Schulen bewertet werden.“ Mit Hinweis auf die ethnischen und konfessionellen Unterschiede schob die Ministerin aber ein: „Wir können uns einen Staatsislam nicht backen.“

Runder Tisch Islam
Der Runde Tisch Islam ist ein ca. 40köpfiges Arbeitsgremium, das aus Vertretern islamischer Gemeinschaften, Persönlichkeiten des muslimischen Lebens in Baden-Württemberg sowie Mitarbeitern beteiligter Ministerien besteht. Die Teilnehmer sollen nach Lösungen für konkrete Probleme und Herausforderungen suchen, die in den Integrationsdebatten immer wieder auftauchen. Erklärtes Ziel ist es, Impulse für eine stärkere Integration der Muslime in Deutschland zu geben.

Soylu: Integrationsministerium grenzt aus

Doch genau das wird der Ministerin vorgehalten. Durch die selektive Auswahl der Teilnehmer würden auch Inhalte beeinflusst. Die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW) etwa, die mit seinen rund 100 Mitgliedsmoscheegemeinden mit zu den größten islamischen Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg zählt, sitzt nicht am Tisch. Das Integrationsministerium verweist als Begründung für den Ausschluss auf den Verfassungsschutz. Zwar erfülle die IGBW alle Vorgaben, um am Runden Tisch Islam teilzunehmen, es gebe aber Bedenken.

IGBW-Vorsitzender Muhittin Soylu zeigt sich enttäuscht: „Es ist schade, dass man ausgeschlossen wird.“ Gleichzeitig dämpft er zu hohe Erwartungen an den Runden Tisch Islam: „Man darf nicht zu viel von einem solchen Gremium erwarten. Muslime können sicherlich ihre Sorgen mit der Integrationsministerin teilen. Das ist gut so. Mehr kann man aber nicht erwarten. Die wichtigen Dinge werden woanders entschieden.“ So hat der Ministerpräsident des Landes den Status des Religionsbeauftragten inne und nicht die Integrationsministerin. Deshalb, so Soylu, sei der Runde Tisch Islam an der falschen Stelle angesiedelt.

Umgang mit Homosexualität auf der Tagesordnung

Ein anderes Thema des Runden Tisches war der Umgang von Muslimen mit Homosexualität. „Wichtige gesellschaftliche Debatten müssen breit geführt werden. Zudem hilft Aufklärung – auch beim Thema Homophobie“, erklärte Öney zu den Hintergründen.

Von den Teilnehmenden muslimischen Religionsgemeinschaften wollte sich auf Anfrage von IslamiQ niemand dazu äußern, bis auf den DITIB-Vorsitzenden Erdinç Altuntaş. Er erklärte, dass es gar keine Debatte zum Thema gab. „Es fand eine Aufklärung über die Diskriminierung von Homosexuellen statt und mehr nicht“, sagte Altuntaş und fügte hinzu: „Hätte man die Muslime gefragt, dann hätten sie sich auch entsprechend positioniert. Sie hätten ihre Meinung zum Thema auch geäußert. “

Das Integrationsministerium bestätigt Erdinçs Aussage. Es sei tatsächlich nur ein Vortrag gewesen, in der Studienergebnisse zum Thema Homosexualität unter Migranten vorgestellt wurden. Daraus gehe hervor, dass diese stärker unter Diskriminierung leiden, als andere homosexuelle Gruppen. Die Frage, wieso eine Studie über Migranten im Rahmen des Runden Tisches Islam vorgestellt wurde, blieb allerdings offen.

Allem Anschein wird auch im Integrationsministerium ein weit verbreiteter Fehler begangen, auf den der Mediendienst Integration immer wieder hinweist: Muslime werden mit Migranten gleichgesetzt. Dabei sind fast die Hälfte der Muslime, die in Deutschland leben, Deutsche. Sie werden laut Mediendienst „vom Staat, von der Wissenschaft und Politik immer wieder mit Einwanderern und Ausländern gleichgesetzt.“