Mona lebt zwischen Friedhofsmauern in Kairo und träumt von einem anderen Leben, das nebenan stattfindet und doch so entfernt ist. Gerhard Haase-Hindenberg dokumentiert den Alltag einer jungen Ägypterin.
Mona ist ein junges Mädchen aus Kairo. 18 Jahre alt und voller Träume und Hoffnungen. Wie Tausende von Einwohner der Millionenstadt Kairo lebt sie in einem außergewöhnlichen Viertel. In der sogenannten Totenstadt Imam Al Shafii, die nach einer großen Moschee im Zentrum des Viertels benannt ist, leben Menschen in Grabstätten. Ursprünglich waren die ersten Bewohner des Viertels als Grabwächter eingestellt und begannen neben den Grabkammern in kleinen Räumen zu leben. Mit der zunehmenden Landflucht der Ägypter zogen immer mehr Menschen in die Totenstädte. Mona lebt gemeinsam mit ihren Eltern und den sieben Geschwistern in drei winzigen Räumen. Ihr Viertel verlassen die Geschwister eigentlich nie.
Durch gute Beziehungen zu einer Kairoer Diplomatenfamilie kommt der Publizist Gerhard Haase-Hindenberg in das Viertel, das von den meisten Bewohnern Kairos gemieden wird und vor dem die Touristenführer warnen. Gemeinsam mit seiner Dolmetscherin entdecken sie Mona, das Mädchen das regelmäßig Tagebuch über ihr Leben, Ängste und Hoffnungen führt. Es kommt zu einer Zusammenarbeit mit dem Publizisten und das Buch „Das Mädchen aus der Totenstadt“ entsteht.
In dem Buch, das eine Mischung aus Reportage, Erfahrungsbericht und Roman ist, erfährt der Leser, wie sich Mona auch für ein Leben außerhalb ihres Viertels interessiert und sich in das hektische Stadtleben in Kairo wagt. Mona ist ein einfaches Mädchen, das trotz ihrer Bildungslücke eine außergewöhnliche Beobachtungsgabe hat. So schreibt sie immer wieder über ihre Gefühle, vor allem über Diskriminierung, ihren Glauben und Freunde. Eingebettet sind diese Passagen in den Text von Gerhard Haase-Hindenberg, der den Leser immer wieder mit Faktenwissen über den Islam und das Leben in Ägypten versorgt.
Das „Mädchen aus der Totenstadt“ ist wie ein Fenster zu einem tabuisierten Viertel, das sich von der Außenwelt abgekapselt hat. Zwar dürfen die Wohnungen in den Grabhöfen offiziell nicht existieren, es wurden aber Wasser- und Stromleitungen gelegt und auch Schulen und Krankenhäuser in verlassenen Grabhöfen eingerichtet. Trotzdem spricht man in Ägypten nicht gerne über die Bewohner aus der Totenstadt und vor allem spricht man nicht gerne mit ihnen. So sind sie in der Gesellschaft ganz unten und werden verachtet.
Haase-Hindenberg ist mit der Dokumentation von Monas Leben ein gutes Buch gelungen, das vorurteilsfrei über das Leben eines muslimischen Mädchens zwischen zwei nahen und doch so verschiedenen Welten aufzeichnet.