Erstmals hat eine ausführliche Studie die Situation von Moscheen in einer Metropolregion untersucht. Die Studie zeigt: Moscheen in Hamburg sind oft viel zu klein und in einem prekären Zustand. Die Religionsgemeinschaften bemühen sich um ein Umdenken und um Hilfe vom Senat.
Es ist ein Bild, an das man sich gewöhnt hat. Freitag Mittag vor der Al Nour Moschee im Hamburger Stadtteil St. Georg. Die Moschee ist voll. So voll, dass die Gläubigen vor der Tür ihre Gebetsteppiche, Jacken oder einfach nur Pappkartons vor sich hinstellen. Das Gebet in der Moschee beginnt und die Muslime, die zu spät dran waren, beten vor dem Eingang auf offener Straße mit, egal ob es regnet oder schneit.
So wie der Al Nour Moschee geht es nach einer aktuellen Studie über Moscheen und Moscheegemeinden in Hamburg fast allen Gemeinden. Überall herrscht Platzmangel, der Andrang der Gläubigen kann an bestimmten Tagen kaum bewältigt werden. Ausweg wäre neuer Raum für Moscheen und Neubauten, doch das gestaltet sich schwierig.
Am Freitag stellten der Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg (Schura), die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) und der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) die Ergebnisse der Studie „Moscheen und Gebetsräume in Hamburg – Untersuchung der räumlichen Situation“ in der Bergedorfer Kocatepe Moschee vor.
Die Studie wurde von den drei staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften bei der Kulturwissenschaftlerin Marion Koch und dem Architekten Joachim Reinig in Auftrag gegeben. Unter Mitarbeit von Demet Çoban (Dipl. Architektin) entstand so nach Angaben der drei Religionsgemeinschaften die bisher bundesweit einzigartige und umfassendste Studie über 42 Moscheegemeinden in einer Metropolregion. Die Untersuchung fand im Zeitraum von Januar bis März 2013 statt. Befragt wurden nur Moscheen, in denen täglich gebetet wird.
Die Untersuchung stellt die innere und stadträumliche Situation der Moscheen dar, die Arbeitsschwerpunkte und baulichen Wünsche der Gemeinden. Sie wird ergänzt durch Portraits der Ansprechpartner und ihren jeweils ganz persönlichen Wünschen für die Gemeinde. Abschließend werden Hinweise gegeben zu den baulich größten Missständen und Notwendigkeiten sowie zur Entwicklung neuer Standorte für Moscheen in Hamburg.
Die Autoren der Studie führten für ihre Ergebnisse Gespräche vor Ort mit haupt- und ehrenamtlichen Verantwortlichen. Fast jede Moschee meldete dabei großen Bedarf an zusätzlichem Raum an. Die Moscheen bräuchten den Raum vor allem für die Freitagsgebete: fast alle Moscheen können ihre Gläubigen zum Freitagsgebet nicht in ihren Räumlichkeiten aufnehmen. Die Räume sind mehrfach überbelegt und die Gläubigen beten laut Studie auch auf Fluren, Kellern, Höfen und Vorgärten.
Aber auch für die Kinder- und Jugendarbeit benötigen die Moscheen laut Studie neuen Raum. Gerade Moscheen versuchten die Integration von Kindern und Jugendlichen und das gesellschaftliche Leben in Hamburg zu unterstützen, indem sie „Jugendlichen ein religiöses, kulturelles und soziales Zuhause geben und ihnen beratend in allen Lebensfragen zur Seite stehen.” Diese wichtige Arbeit gestalte sich jedoch ohne genügend Raum als sehr schwierig.
Nicht zuletzt die wachsende Größe der Frauen-Gemeinden erfordere z.T. auch eine bessere räumliche Situation für diese oft vernachlässigte Gruppe. Manche Frauengemeinde, deren Zahl längst die der Männergemeinde übersteige, fordere zudem immer stärker eigene Gebetsräume.
„Die Moscheen sind mit ihren vielfältigen Aufgaben und Angeboten Teil der gesellschaftlichen Realität der Stadt Hamburg geworden, was jedoch in der Öffentlichkeit nicht in dieser Deutlichkeit wahrgenommen wird“, schreiben die Autoren der Studie. Die Moscheen seien kein Gegenstand von Stadt- und Standortplanung und ihre baulichen Zustände seien diskriminierend. Dabei sei der Brandschutz überwiegend erfüllt und die meisten Moscheen seien auf dem jetzigen Stand planungsrechtlich zulässig.
Änderungswünsche scheiterten jedoch am Planrecht, fehlendem Zugang zu Ansprechpartnern in Politik und Verwaltung und manchmal auch an finanziellen Möglichkeiten.
Wenn Stadtplanung nicht nur verdrängen wolle, erscheine eine Moschee-Entwicklungsplanung laut Autoren der Studie sinnvoll. Dabei wird auch empfohlen einen Blick auf die anderen Städte wie Berlin, Köln, Penzberg oder Paris zu werfen. In ihrer Untersuchung wird von den Autoren die Schaffung von zentralen Moscheen und Stadtteilmoscheen empfohlen. Die Standorte sollten Moscheen aus ihrem Hinterhofdasein befreien und sie sichtbar machen. Als Stadt- oder Stadtteilmoscheen sollten sie zudem mit Öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein.
In der Öffentlichkeit sei in der Regel großes Verständnis für Moscheestandorte vorhanden, wie die Bergedorfer Kocatepe Moschee oder der noch in Planung befindliche Umbau für die Al-Nour Moschee in einer ehemaligen Kirche zeigten. Aber gleichwohl müssten Moscheestandorte behutsam und abgewogen entwickelt werden.
Angesichts der Komplexität der Planungs- und Entwicklungsaufgaben scheint es aus Sicht der Autoren sinnvoll zu sein, einen Aufgabenbereich für eine Moscheen-Entwicklungsplanung in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) und den Bezirken einzurichten. Es wird empfohlen, einen Ansprechpartner für die Gemeinden bereitzustellen, der z.B. wie ein Wohnungsbaubeauftragter moderieren kann.
Mustafa Yoldaş, Vorsitzender der SCHURA-Hamburg, nahm die Ergebnisse der Studie mit gemischten Gefühlen auf. „Wenn wir in der Vergangenheit auf die prekäre Lage der Muslime hingewiesen haben, wurde das nicht ernst genommen. Jetzt gibt es eine Studie von unabhängigen Dritten, die belegt, was die Muslime schon immer gesagt haben. Wir erwarten nun, dass der Senat sich auch der Probleme der Muslime annimmt.“ Yoldaş beklagte zudem, dass man von den Muslimen immer wieder eine Öffnung verlange, aber ihnen bei entscheidenden wichtigen Fragen nicht unter die Arme greife.
Der Vorsitzende der DITIB, Dr. Zekeriyya Altuğ, konstatierte bei der Vorstellung der Ergebnisse: „Eine räumliche Verbesserung ist fast überall notwendig.“ Die Religionsgemeinschaften hielten sich allerdings mit konkreten Forderungen eher zurück. Viel wichtiger war es den Vorsitzenden auf die prekäre Lage hinzuweisen und den Senat auf die Probleme, die in der Studie beschrieben wurden, aufmerksam zu machen.
Der Chef der Hamburger Senatskanzlei, Staatsrat Christoph Krupp, war bei der Präsentation der Ergebnisse dabei. Die Stadt hatte die Studie mitfinanziert. Allerdings wurde vom Staatsrat gleich eingeschoben, dass es von der Stadt keine finanzielle Unterstützung für Moscheeneubauten geben werde. Der Senat sei aber bereit, die Suche nach geeigneten Kapazitäten zu unterstützen. Auch weitere gemeinsame Schritte mit den Religionsgemeinschaften wurden nicht ausgeschlossen.
Der Al Nour Moschee im Hamburger Stadtteil St. Georg hilft das nur wenig. Die Moschee hatte erst kürzlich eine entwidmete Kirche im Hamburger Stadtteil Horn aufgekauft. Die ehemalige Kirche muss noch umgebaut werden, damit die Gläubigen in den neuen Räumlichkeiten beten können und niemand mehr auf der Straße beten muss. Doch die Anträge für den Umbau wurden immer noch nicht abschließend bewilligt. Die Gläubigen müssen also noch weiter ausharren.