Ein Oratorium für den Frieden zwischen den Religionen soll von einem Chor an einer katholischen Kirche in Konstanz vorgetragen werden. Doch dann regt sich Widerstand aus der Kirche gegen den muslimischen Gebetsruf – auch weil islamfeindliche Gruppen hetzen.
Der muslimische Gebetsruf, als Teil des Stückes „The Armed Man – a Mass for Peace“ von Karl Jenkins, hat in einer Kirche in Konstanz zu einer Krise geführt. Wie die Zeitung die Welt berichtet, will die Kirchenleitung des katholischen St. Gebhards-Kirche nach angeblichen Protesten und Kritik aus der Gemeinde, dass der muslimische Gebetsruf aus dem Oratorium gestrichen wird. Mitglieder des sinfonischen Chors Konstanz kündigten jetzt an, dass sie bei einem solchen veränderten Stück nicht mitmachen.
Das Oratorium von Karl Jenkins enthält als Komposition, die den Dialog und Frieden fördern soll, Elemente aus dem Islam, Christentum, Judentum und Buddhismus. Doch mit dem Frieden in der St. Gebhards-Kirche und Gemeinde in Konstanz ist es jetzt erst einmal vorbei.
Die Kirchenverwaltung und auch Mitglieder der Kirche haben quasi eine „Nein zum Gebetsruf“-Aktion gestartet und fordern als Gastgeber die Streichung des muslimischen Gebetsrufs aus dem Stück von Jenkins. Dabei ist das Vortragen des muslimischen Gebetsrufs in einer Kirche eigentlich nichts Neues. Es gibt vielfache Beispiele aus Deutschland, gerade beim interreligiösen Dialog, wo der muslimische Gebetsruf in einer Kirche kein Problem darstellt.
Der Hintergrund für den Konflikt in Konstanz scheint auch vom leitenden Pfarrer der Kirche, Andreas Rudiger, auszugehen. Dieser hatte sich mit dem Argument „In Ländern wie Syrien, Ägypten und Pakistan werden Christen auch unter dem Ruf des Muezzins getötet“, in der Zeitung die Welt zu Wort gemeldet. Der katholische Pfarrer soll in muslimischen Ländern gearbeitet haben. Er findet einen muslimischen Gebetsruf in der Kirche unverantwortlich. In der Gemeinde sollen viele „syrische und koptische“ Christen sein.
Es riecht stark nach einem islamfeindlichen Hintergrund. Das wird auch deutlich, wenn man sich den Vorgang auf bekannten Netzseiten wie der als Basis von rechtsextremen und islamfeindlichen Stimmen geltenden Website „Politically Incorrect“ ansieht. Dort wurde gegen den muslimischen Gebetsruf in der St. Gebhards-Kirche bereits massiv gehetzt. In einem offenen Brief von einem angeblichen Anwalt wurden zudem die Telefonnummern von Vertretern der Kirche in Konstanz und der Region veröffentlicht. Vermutlich sollten die Leser des fremdenfeindlichen Blogs dazu bewegt werden, die Kirchen anzurufen oder anzuschreiben, um Druck aufzubauen und das Stück in der normalen Form zu verhindern.
Angesichts solcher Hintergründe ist die Haltung von einigen Musikern des aus 120 Personen bestehenden symphonischen Chors allzu verständlich. Sie verweigern den Auftritt in der katholischen St. Gebhards-Kirche, weil das Oratorium um den Gebetsruf gekürzt vorgetragen werden soll.
Die Leitung des Oratoriums und die St. Gebhards-Kirche suchen jetzt nach einer Lösung mit der alle zufrieden sein könnten. Die Diskussion ist aber in vollem Gange, auch weil man sich vermutlich von Protesten aus der rechtsextremen und rechtspopulistischen Szene in Deutschland hat einschüchtern lassen.
Auf der anderen Seite muss man aber auch die Kirchenvertreter fragen, wie stark ein Glaube eigentlich ist, wenn man den muslimischen Gebetsruf in einer Kirche als Bedrohung für die eigene Religion empfindet.
Das Oratorium jedenfalls macht unter diesen Gesichtspunkten keinen wirklichen Sinn mehr. Denn eigentlich soll das Oratorium zum Frieden zwischen den Religionen beitragen, nicht zum Ausschluss einer einzelnen Religion. Karl Jenkins als Komponist ist über den Streit in Konstanz nicht sonderlich erfreut, sondern eher enttäuscht. Man habe sein Werk wohl nicht richtig verstanden.