Alternatives Finanzsystem

Islamic Banking – eine Übersicht

Was ist Islamic Banking? Was macht dieses Finanzmodell aus? Wie funktioniert ein zinsfreies System? Was sind seine Bestandteile? Welche Alternativen zu bestehenden Finanzsystemen werden angeboten? Fragen auf die Ismail Karadöl eingeht.

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10
2013

Der Begriff Islamic Banking bedeutet, dass Bankgeschäfte konform mit den Bestimmungen des islamischen Rechts sind. Dabei darf das Islamic Banking nicht nur als Alternative in islamischen Ländern betrachtet werden. Überall, wo Muslime leben, besteht grundsätzlich das Bedürfnis nach alternativen schariakonformen Finanzprodukten.

Schlüsselprinzipien des Islamic Banking

Das islamische Zinsverbot ist die Grundlage für die Entstehung des Islamic Banking. Es beinhaltet nur Finanzprodukte, welche ohne Zinszahlungen angeboten werden können. Eine islamische Bank erwirtschaftet ihre Gewinne auf der Basis von Gewinnbeteiligungen. Geschäftsaktivitäten, in denen sie von Zinsspannen Erträge erwirtschaften könnte, sind strikt untersagt. Ihr operatives Geschäft besteht daher im Wesentlichen aus dem Handelsgeschäft, dem Leasing und der Beteiligungsfinanzierung. Im Rahmen dieser Geschäftsfelder gibt es zahlreiche alternative Finanzinstrumente. Teilweise sind das bekannte Instrumente, die auch konventionelle Banken nutzen. Diese werden durch Anpassungen an die islamischen Rechtsnormen dem islamischen Kundenkreis angeboten.

In fünf Punkten die Schlüsselprinzipien des Islamic Banking

a. Das Zinsverbot („Riba“-Verbot)

„Riba“ ist das arabische Wort, das die Bedeutung von Wucher und Zins hat. Es ist demnach untersagt, Zinsen einzunehmen oder zu bezahlen.

b. Das Glücksspiel- und Spekulationsverbot („Gharar“-Verbot)

„Gharar“ ist im engeren Sinne als Glücksspiel zu übersetzen. Im weiteren Sinne ist es die Absicht der Gewinnerzielung mit einem sehr hohen Risikoanteil. Als Schutzmaßnahme für den einzelnen untersagt der Islam jede Art von Glücksspielen und die Aufnahme von hohen Spekulationsrisiken. ((Vgl. Lewis, Mervyn u.a., Islamic Banking, S. 31))

c. Investition nur in Unternehmen, deren Aktivitäten „halal“ sind

Beabsichtigt der Muslim sich an einem Unternehmen zu beteiligen, so muss er auch darauf achten, womit dieses Unternehmen seinen Gewinn erwirtschaftet. Er darf sich nicht an Unternehmen beteiligen, die Güter oder Dienstleistungen produzieren, die nach dem Islam als „haram“ gelten.

d. Geld ist nicht fähig, Geld zu produzieren

Geld wird im Islam nicht als Gebrauchsgut gesehen, sondern hat vielmehr die Funktion des Tauschmittels und des Wertmessers. Es ist untersagt, durch Übergabe von Geld, zusätzliches Geld für seine Nutzung zu verlangen. Erträge können nur aus Realinvestitionen erwirtschaftet werden.

Geschichte und Entwicklung

Die Erfolgsbeteiligung als Instrument des Islamic Banking sollen bereits arabische Händler in den ersten Jahren des Islam angewandt haben. Sie schlossen mit Investoren Erfolgsbeteiligungsverträge, die als Vorläufer des heutigen Kommanditvertrages gelten. ((Vgl. Islamische Zeitung, Nr. 1, 1995))

Ganzheitliche theoretische Ansätze des Islamic Banking entstanden aber erst Ende der vierziger Jahre. Das Sparkassenprojekt in der ägyptischen Stadt Mit-Ghamar gilt als das erste nach dem zinslosen Prinzip arbeitende Finanzinstitut. Allerdings ist es heute nur noch als Experiment zu erwähnen, es startete 1963 und endete aufgrund politischen Widerstandes im Jahre 1971, das Modell der Zinslosigkeit konnte dennoch überzeugen. ((Vgl. Nienhaus Volker; Islam und moderne Wirtschaft: Einführung in Positionen, Probleme und Perspektiven, S. 231))

Die Idee eines islamischen Bankensystems galt nach diesem Projekt für die islamische Welt als praxistauglich. ((Vgl. Henry Clement; The politics of Islamic Finance, Edinburgh University (Hrsg.), S. 20))

Aktuelle globale Situation

Islamic Banking gilt in der Finanzwelt als ein globaler Nischenmarkt. Nach Angaben des Magazins „Islamic Finance Review“ ist das Marktvolumen für Islamic Banking 300 Milliarden US-Dollar groß. Das Magazin berichtet auch, dass es mittlerweile mehr als 150 aktive islamische Banken weltweit gibt, davon mehrere auch in nichtislamischen Ländern, wie in England, den USA und den Fernostländern.

Auch europäische Banken haben ein wachsendes Interesse an Islamic Banking. Sie bieten ihre islamkonformen Produkte vorwiegend in den islamischen Ländern der Golfregion an. So zum Beispiel das Bankhaus UBS, das im Jahre 2001 ihre 100% Tochter Noriba Bank in Bahrain gründete. ((Vgl. www.noriba.com (sinngemäß übersetzt aus dem Englischen))) Andere Großbanken eröffneten zumindest Filialen in Bahrain, darunter die Citigroup, ihr folgten später Häuser wie HSBC, ABN Amro, Societe Generale.

Die Deutsche Bank konzentriert sich bisher eher auf die vermögenden Privatkunden im Mittleren Osten und in Asien. Die DWS bietet seit Dezember 2006, in Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten schariakonforme Publikumsfonds und Rentenpapiere an. Auf dem deutschen Markt hingegen gibt es aktuell kaum nennenswerte Finanzprodukte die im Einklang zum islamischen Recht stehen. Die Commerzbank Tochter Cominvest legte im Jahr 2000 den Al-Sukoor Fonds für den europäischen Markt auf, doch das Interesse blieb mäßig. Cominvest schloss den Fonds Ende 2005 wieder. Es hatte nur ein Anlagevolumen von Vier Millionen Euro erreicht, benötigt waren nach Angaben von Cominvest, 20 Millionen. ((Vgl. Knappmann, Lutz: Manager-Magazin.de (Hrsg.), Artikel: Rendite Ohne Zinsen ))

Sharia Board

Das Überprüfen der Konformität zur Sharia von bestehenden Finanzprodukten und das Entwickeln von neuen schariakonformen Finanzprodukten, sowie das fortlaufende Beobachten dieser Finanzprodukte zählen zu den wesentlichen Aufgaben des „Sharia Board“. ((Vgl. El-Gamal Mahmoud; Islamic Finance: law, economics and practice, Cambridge University (Hrsg.): Islamic Finance, Cambridge 2006, S. 11 (sinngemäß übersetzt aus dem Englischen)))

Das Sharia Board hat die Kompetenz, sowohl Finanzinstrumente und Verträge, als auch auf Führungsebene getroffene Entscheidungen im Bezug auf das islamische Recht zu überprüfen und bei Bedarf die Überarbeitung dieser zu verlangen.

Finanzinstrumente

Einlagengeschäft

Das Einlagengeschäft des Islamic Banking besteht aus drei wesentlichen Kontenarten. Girokonten für den klassischen Zahlungsverkehr, Sparkonten für das Sparen bei ständiger Verfügbarkeit und Anlagekonten für die Investition in langfristige Beteiligungsgeschäfte, bilden das Einlagegeschäft einer islamischen Bank.

Kreditgeschäft

Hauptsächlich beschäftigt sich das Kreditgeschäft des Islamic Banking mit der Finanzierung von Unternehmen. Ihr operatives Geschäft besteht im Wesentlichen aus dem Handelsgeschäft, dem Leasing und der Beteiligungsfinanzierung. Mittlerweile werden aber auch Kredite an Privatpersonen angeboten. Mit zunehmender Bedeutung wird von islamischen Banken die Finanzierung teurer privater Anschaffungen, wie das Immobilieneigentum, angeboten.

Musharaka ­

Der „Musharaka“-Vertrag ist eine Partnerschaft zwischen Kunde und Bank mit der Absicht, gemeinsam ein Projekt zu finanzieren und zu realisieren. Sowohl Bank als auch Kunde bringen Kapital in das Geschäft ein, beide haben Management-Funktionen und sind verantwortlich für die Risiken. Der Gewinn aus dem Joint Venture wird nach einem von Anfang an vereinbarten Verteilerschlüssel aufgeteilt. Der Verlust hingegen ist entsprechend dem eingesetzten Kapital verhältnismäßig zu tragen. Jede Partei haftet für das gemeinschaftliche Unternehmen, im Verhältnis zu seinen Anteilen, unbegrenzt.

Mudaraba

„Mudaraba“ ist eine Vertragsform in der die Bank als stille Gesellschafterin an einem bestimmten Projekt des Kunden beteiligt wird. Die Bank stellt hierbei alleine das gesamte Kapital zur Verfügung, der Kunde hingegen bringt als Mit-Unternehmer des Projektes seine Erfahrung und sein technisches Wissen ein. Er ist für das gesamte Geschäft alleine verantwortlich, die Bank hat keine Funktionen und keinen Einfluss auf das Management.

Murabaha

Die „Murabaha“ ist die häufigste angewendete Form eines islamischen Finanzproduktes. In dieser Vertragsform kauft die Bank im Auftrag ihres Kunden ein von ihm genau bestimmtes Wirtschaftsgut. Die Bank verkauft das Gut anschließend an ihren Kunden weiter. Dieser wird zum Eigentümer und muss den Kaufpreis zuzüglich einer Profitmarge in Zukunft in einem Gesamtbetrag oder in Raten zurückzahlen. Die Murabaha stellt kein Beteiligungsgeschäft mit Gewinn- und Verlustbeteiligung dar, sie ist nur ein Handelsgeschäft in der die Bank als Zwischenhändler auftritt. ((Vgl. Bälz: Artikel: Finanziert mit Gottes Hilfe, zenith business (Magazin), Ausgabe 03/2005, S. 36))

Ijara

„Ijara“ bedeutet das Leasen oder Vermieten eines materiellen Vermögenswertes. Die Bank nimmt bei dieser Vertragsform die Rolle des Vermieters bzw. des Leasinggebers ein. Sie ermöglicht ihrem Kunden, als Eigentümerin, die Nutzung von bestimmten Vermögenswerten. Im Gegensatz zur Murabaha bleibt die Bank bis zum Vertragsende Eigentümerin des Vermögenswertes und erhält je nach vertraglicher Gestaltung entweder eine fest vereinbarte Leasingrente oder eine Beteiligung am Gewinn, der aus der Nutzung des Vermögenswertes erwirtschaftet wird.

Sukuk

Der Sukuk, als Oberbegriff, ist die schariakonforme Alternative zur konventionellen Schuldverschreibung. Statt einer Zinszahlung erhalten die Investoren Erträge aus Beteiligungen oder dem Leasing.

Leserkommentare

Habil sagt:
Vielen Dank für den interessanten und informativen Artikel. Er fasst übersichtlich die Ausarbeitungen der Diplomarbeit des Autors zusammen. Für Interessierte Leser würde ich die Lektüre der ganzen Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 empfehlen. (Note 1,7) Zu erwerben auf Amazon: http://www.amazon.de/Islamic-Banking-Alternatives-Ismail-Karad%C3%B6l/dp/3638920313/ oder einfach persönlichen Kontakt mit dem Autor aufnehmen.
28.10.13
17:54
Habib sagt:
Hallo, erstmal vielen Dank für den Artikel über islamic Banking. Wie Ich sehe ist dieser von 2013. Wäre interessant diesen insbesondere für islamic Banking in Deutschland zu erweitern rundum der KT Bank. Welche Seite Mitte 2015, als erste islamische Bank eine Lizenz als Vollbank in Deutschland erhalten hat.
03.02.16
14:05