NSU

Albtraum ist Realität geworden

Vor zwei Jahren wurde der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) eher zufällig enttarnt. Nach zahlreichen Untersuchungsausschüssen und Kommissionen glaubt heute kaum noch jemand an vollständige Aufklärung. Die Familien kämpfen dennoch weiter um Antworten.

05
11
2013
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Es ist der 4. November 2011. Vor zwei Jahren starben bei einem Wohnwagenbrand die beiden Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Eisenach. Nach einer Wohnungsexplosion in Zwickau stellt sich die mutmaßliche Mittäterin Beate Zschäpe den Behörden.

Zwei Jahre nach der Entdeckung der rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) gibt es viele offene Fragen. Für Aufklärung könnte die Komplizin und mögliche Mörderin Beate Zschäpe sorgen – doch sie schweigt sich im NSU-Prozess, ebenso wie weitere Mitangeklagte, aus.

Mitten in Deutschland hat eine rechte Terrorzelle Bombenanschläge, Mordanschläge und Banküberfälle begangen. Mehr als 13 Jahre lang haben die Täter unbehelligt gemordet und sich im Untergrund versteckt – begünstigt durch das Totalversagen der Sicherheitsbehörden.

Rassismus nicht erkannt

Fast jeder Spur waren die Behörden nachgegangen, nur nicht den Spuren, die sie hätten auf die Fährte der rechtsextremen Terrorzelle bringen können. Ein rassistisches Motiv wurde von den Ermittlern von vornherein ausgeschlossen. Stattdessen ermittelten die Behörden im Familienumfeld der Opfer. Zeugen, die Aussagen machten und richtige Angaben zu den Tätern gaben, wurden nicht weiter angehört und ernst genommen.

„Döner-Morde“ titelten die Medien über die rassistisch motivierten Morde. Damit wurden die Opfer zu Tätern gemacht und den Familien weiteres Leid zugefügt. Die Ermittler erzählten sogar den Ehefrauen der Opfer, ihre Ehemänner hätten sie betrogen, nur um ein Geständnis zu entlocken.

Aufklärung ist nicht vorhanden

Die Ermittler wurden durch die verschiedenen Untersuchungskommissionen und den NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München an den Pranger gestellt. Eklatantes Versagen der Behörden, strittige Ermittlungsstrategien und Totalausfälle waren das bisherige Ergebnis über die Arbeiten der Menschen, die für unsere Sicherheit in Deutschland sorgen sollen. Hinzu kamen Aktenvernichtungen, Erinnerungslücken und viele weitere Skandale.

Eine wirkliche Aufklärung hat es in dem Fall bis heute nicht gegeben. Immer noch warten die Angehörigen der Opfer vergeblich auf Antworten, ebenso wie die Öffentlichkeit.

Rassismus schuld am Versagen

Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) veröffentlichte schon im Dezember 2012 ein NSU-Dossier, in dem auf 52 Seiten nachgestellt wird, wie das Versagen der Behörden, der Medien und der Öffentlichkeit in der Aufklärung der NSU-Morde zustande kam und wie die Reaktionen nach dem Auffliegen des Skandals gewesen sind. Das Dossier ist ein Klagelied über das kollektive Versagen in Deutschland und eine Abrechnung mit der Politik, die sowohl Islamfeindlichkeit nicht anerkennt, als auch ernsthafte Konsequenzen und Lehren aus der NSU-Mordserie nicht zieht.

Mustafa Yeneroğlu, stellvertretender Vorsitzender der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) erklärt am Montag: „Dass der NSU 13 Jahre lang raubend und mordend quer durch Deutschland ziehen konnte, ohne gefasst zu werden, hat unser Vertrauen in die Sicherheitskräfte bereits mehr als zerrüttet.“ Die bisherigen Aufklärungsversuche seien enttäuschend gewesen und es gebe ein Problem mit „rassistischen Denkmustern in staatlichen Institutionen.“

Aufklärung vermutlich ausgeschlossen

Seit dem 6. Mai 2013 sitzen mehrere Personen als mutmaßliche Helfer und Unterstützer des NSU vor Gericht. Hauptangeklagte ist Beate Zschäpe der unter anderem, neben der Bildung einer terroristischen Vereinigung, Mord und Beihilfe zum Mord vorgeworfen werden. Und das Gericht hat einen klaren Auftrag: Sie will die Personen bestrafen mit dem Strafmaß, dass angemessen ist. Die politische Verantwortung, die Wiedergutmachung und vollständige Aufklärung kann und will es nicht leisten.