Die jüngsten Worte von Innenminister Friedrich, durch den Doppelpass könnte sich eine türkische Minderheit etablieren, werden von den islamischen Religionsgemeinschaften stark kritisiert.
Ein wichtiger Punkt, der von muslimischen Gemeinschaften in Deutschland bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Union unter besonderer Beobachtung steht, ist das Thema doppelte Staatsbürgerschaft. Muslimische Spitzenvertreter und Religionsgemeinschaften hatten sich vor und nach der Wahl zusammengeschlossen. In Wahlinitiativen wurde von den Parteien ausdrücklich die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft für alle gefordert.
Angesichts jüngster Äußerungen von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zum Thema doppelte Staatsbürgerschaft wird jetzt nachgelegt. Im Münchner Merkur hatte der Innenminister gewarnt, die doppelte Staatsbürgerschaft würde „eine dauerhafte türkische Minderheit in Deutschland“ etablieren. Dies bedeute eine „langfristige Veränderung der Identität der deutschen Gesellschaft.“ Und das woll er nicht.
Diese Aussage stößt bei den muslimischen Religionsgemeinschaften auf Kritik. Der stellvertretende Vorsitzende der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) und Jurist, Mustafa Yeneroğlu, etwa erklärte gegenüber IslamiQ, dass diese Aussage im Grunde belegt, was viele Türkeistämmige schon immer gedacht und gefühlt haben. „Teilen der Politik geht es nicht darum, Integrationspolitik zu machen, sondern das Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsgesetz so zu gestalten, das Minderheiten langfristig assimiliert werden.“ Insofern könne man Friedrichs Aussage auch etwas Positives abgewinnen: „Friedrich hat mit seiner Aussage offen zugegeben, worum es ihm geht“, erklärt Yeneroğlu weiter.
Das sei aber nur ein schwacher Trost, fährt der Jurist fort: „Wenn ich mir unser Grundgesetz anschaue mit den darin verankerten Rechten von Minderheiten insbesondere in Bezug auf ihre Herkunft, ihre Kultur, ihre Sprache oder ihre Religion, stellt sich für mich die Frage, ob der Minister noch auf dem Boden unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung steht. Unsere Verfassung zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass sie allen Menschen die freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert. Das geht natürlich nicht, wenn man das Staatsangehörigkeitsgesetz zielgerichtet so gestaltet, dass sich Minderheiten im Sinne der nationalstaatlich bestimmten Fiktion der Homogenisierung langfristig auflösen.“
Noch einen Schritt weiter geht die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) in ihrer Kritik und meint, dass diese Auslassungen „Ausdruck einer verstörenden Integrationsverweigerung“ seien. Die Worte Friedrichs seien „rassistisch und hanebüchen zugleich“. Diesem müsse man vehement widersprechen und die Diskussion werfe die gesamten Entwicklungen um Jahrzehnte zurück.
„Denn das Problem in der Diskussion sind nicht die Menschen, die längst weitgehend integriert sind, sondern Politiker und deren Politiken, die eben diese nicht integrieren wollen“, so die DITIB weiter. Sie macht für die Probleme „vorhandene Vorurteile und politische Forderungen“ verantwortlich. Diese würden das Grundgesetz und geltende Recht mit Ausnahmen und Sonderregelungen umgehen, nur um die Einbürgerung von bestimmten Gruppen zu verhindern.
Eine Staatsbürgerschaft als Teil der persönlichen Lebensgeschichte sei etwas, das nicht wie eine „beliebige Vereinsmitgliedschaft gewechselt werden“, oder „zur Option gestellt werden“ könne. Annäherungen dieser Art zeugten davon, dass man weder der Migrationsgeschichte der Betroffenen noch den Grundbedingungen für eine Einwanderungsgesellschaft entsprechen könne. „Allein ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht und eine durchdachte Integrationspolitik vermag dieses Spannungsfeld aufzulösen“, erklärte die DITIB und erneuerte ihre Hoffnung, dass die SPD bei den Koalitionsverhandlungen standhaft bleibt und doppelte Staatsbürgerschaft durchsetzt.
Die Wahlinitiative „Gehe wählen!“ hatte unlängst einen offenen Brief an die Parteien im Bundestag veröffentlicht. Darin werden unter anderem die rechtliche Gleichstellung des Islam, ein stärkerer Kampf gegen Rassismus und Islamfeindlichkeit und Reformen bei den Sicherheitsbehörden gefordert. Eine Kernforderung war auch die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft.
In der Wahlinitiative sind verschiedene muslimische Religionsgemeinschaften vertreten, darunter die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland (IRD), der Verband der Islamischen Kulturzentren und die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB).