Die Beschneidungsdebatte ist in Deutschland weitestgehend abgeebbt, geht auf europäischer Ebene aber weiter. Der Europarat hat im Oktober eine Resolution erlassen, die auf ein Verbot der Beschneidung von Jungen hinausläuft. Dagegen wehren sich jetzt Juden und Muslime gemeinsam.
Die Beschneidungsdebatte in Deutschland scheint nach der Gesetzesinitiative der Bundesregierung weitestgehend vorbei zu sein. Doch auf europäischer Ebene lebte die Debatte im Oktober wieder auf aufgrund einer Resolution des Europates.
Darin wird die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen, wie die genitale Verstümmelung von Mädchen, als Grund für „besondere Besorgnis“ genannt. Laut Resolution sollen die Mitgliedsstaaten des Europarates das Bewusstsein für „Risiken“ solcher Praktiken fördern. Außerdem soll das Kindeswohl in den Mittelpunkt gestellt und eine öffentliche Debatte zur Beschneidung unter den Religionsgemeinschaften angestoßen werden.
Der Europarat fordert in der Resolution zudem, dass es bei der Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen klare Vorschriften zu medizinischen und hygienischen Bedingungen gibt. Die Resolution will eine Interessenabwägung zwischen den Rechten der Eltern und der Religionsfreiheit und den Rechten der Kinder. Die Resolution wurde durch die Parlamentarier im Europarat mit breiter Mehrheit angenommen.
Scharfe Kritik an der Resolution des Europarates kam vor allem aus Israel. Dort stieß auf Unverständnis, dass der Europarat quasi die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen und die genitale Verstümmelung von Mädchen auf eine Stufe gestellt und verglichen hat. Der Sprecher des israelischen Außenministeriums erklärte gegenüber dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel: „Diese Resolution wirft einen Schatten auf den Europarat und fördert Hass und rassistische Tendenzen in Europa.“
Juden und Muslime fordern Rücknahme
Bei einem erst kürzlichen Treffen von Spitzenvertretern europäischer Juden und Muslime (engl.: Gathering of European Muslim and Jewish Leaders (GEMJL)) wurde eine Petition veröffentlicht, in der die Vertreter beider Religionen fordern, dass die Resolution des Europarates zurückgenommen wird. Diese sei ein gezielter Angriff auf die beiden Religionen Islam und Judentum. Außerdem wird betont, dass die Resolution, sollte sie umgesetzt werden, jüdisches und muslimisches Leben in Europa unmöglich macht.
In der Petition heißt es: „Wir weigern uns, zu akzeptieren, dass die Nationalstaaten der Europäischen Union, die sich selbst der Schaffung einer Zivilisation rühmen, die auf den höchsten Standards der Menschen-und Bürgerrechte beruhen sollen, es bevorzugt, schreckliche Verbrechen, die in den vergangenen Jahrhunderten von Europäern gegen Juden und Muslime begangen wurden, durch die Implementierung eines Verbots für ein altehrwürdiges Sakrament im Herzen von unseren beiden Glaubenstraditionen im 21. Jahrhundert, zu unterstützen.“
Wenn Europa wirklich eine pluralistische Gesellschaft anstrebe, in der Menschen aller Glaubensrichtungen und Hintergründe nebeneinander existieren können, müsse es Versuchen, solche Verbote abzulehnen. Deshalb spreche man mit einer Stimme und fordere als Muslime und Juden die parlamentarische Versammlung des Europarates auf, von der „fehlgeleiteten Resolution Abstand zu nehmen.“ Der Europarat solle stattdessen mit den jüdischen und muslimischen Gemeinschaften zusammenarbeiten.
Zu den Erstunterzeichnern der Petition gehören zahlreiche prominente jüdische und muslimische Vertreter aus den USA und Europa. Aus Deutschland unterzeichneten unter anderem Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime (ZMD) und der Rabbi der Dortmunder Synagoge, Avichai Apel, die Resolution.