Viel Gerede, kaum Taten. So bewertet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in ihrem Jahresbericht „World Report“ die Haltung der EU und europäischer Staaten zu Menschenrechtsverletzungen und die wachsende Intoleranz innerhalb der eigenen Grenzen.
Die Europäische Union (EU) geht nicht konsequent gegen Menschenrechtsverletzungen und wachsende Intoleranz in den Mitgliedsstaaten vor. Dies geht aus dem aktuellen Human Rights Watch (HRW) World Report hervor. Die EU sei sich zwar der Problematik bewusst, tue aber nicht viel im Kampf gegen Intoleranz und Menschenrechtsverletzungen.
„Die Achtung der Menschenrechte wird in Taten und nicht in Worten gemessen“, erklärte Judith Sunderland, leitende Expertin für Europa und Zentralasien bei Human Rights Watch. „Gewöhnliche Menschen—von Obdachlosen in Ungarn über afrikanisch oder arabisch aussehende Jugendliche, die in Frankreich ständig von der Polizei kontrolliert werden, bis hin zu syrischen Asylsuchenden in Griechenland—zahlen den Preis dafür, dass ihre Rechte nicht nachdrücklich durchgesetzt werden.“
Im Juni gelangten die EU-Innenminister bei einem Treffen zur Einsicht, dass man entschlossener gegen Menschenrechtsverletzungen vorgehen müsse. Die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten zeigten aber wenig Motivation, die bestehenden Instrumente zu verbessern, lautet der Vorwurf von Human Rights Watch. Probleme bestehen weiterhin, sagt Human Rights Watch, und sieht sich durch die Ereignisse des Jahres 2013 bestätigt.
Als Beispiele werden das Vorgehen Ungarns gegen rechtsstaatliche Prinzipien genannt, aber auch ebenso die Vertreibung von Roma aus EU-Ländern, insbesondere aus Frankreich. Rassismus und Homophobie blieben in der EU weit verbreitet. Roma, Migranten und Asylsuchende würden besonders stark ausgegrenzt. Auch sei es der EU nicht gelungen, eine „koordinierte Herangehensweise“ an die syrische Flüchtlingskrise zu vereinbaren. Besonders hervorgehoben wird, dass Flüchtlinge im Meer vor den Grenzen der EU ertranken und die EU sich zunächst erschüttert zeigte, dann aber die Sicherung der Grenzen als Reaktion aufbot.
Im Bericht werden auch Fälle im Kontext der Muslime angesprochen. So wird beispielsweise der Vorstoß von Politikern in Großbritannien und der Behörden im spanischen Katalonien für ein Verbot des muslimischen Gesichtsschleiers erwähnt. Aufgeführt wird auch der Schweizer Kanton Tessin (nicht EU-Mitglied), in dem einem solchem Verbot per Referendum zugestimmt wurde. Im November befasst sich der Europäische Gerichthof für Menschenrechte (EGMR) mit der Klage einer Frau, die sich gegen Frankreichs Verbot von Gesichtsschleiern in der Öffentlichkeit richtet. Sie machte geltend, das Gesetz verstoße gegen ihr Recht auf Privat- und Familienleben und gegen ihre Religions- und Meinungsfreiheit.
Zu lesen sind auch die Unruhen im Pariser Vorort Trappes, vergangenen Juli. Die Polizei hatte eine Frau angehalten, die einen Gesichtsschleier trug. Ein 14-Jähriger verlor ein Auge, als er offenbar von einem Gummigeschoss der Polizei getroffen wurde. Menschenrechtsorganisationen verzeichneten eine Zunahme der Anzahl von Übergriffen auf Muslime, insbesondere auf muslimische Frauen.
Zudem wird auch der Fall von zwei Männern geschildert, die in London nach dem Mord am Soldaten Lee Rigsby als Vergeltungsaktion versucht haben, islamische Einrichtungen anzuzünden. In den Monaten nach dem Mord an Lee Rigsby kam es laut HRW vermehrt zu Angriffen gegen Muslime und islamische Einrichtungen, darunter auch Brandanschläge. In London verzeichnete die Polizei bis zum Oktober einen Anstieg der Straftaten gegen Muslime um 51 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Eingehen tut der Bericht auch auf die Haltung der EU bei der Verfolgung der Rohingya-Muslime in Burma. Diese Minderheit wird durch das Regime diskriminiert und verfolgt. Human Rights Watch erklärt, das Europäische Parlament habe in einer Resolution die „schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen und die Gewalt gegen die muslimischen Rohingya in Burma/Myanmar“ verurteilt.
In der Folge stellte die Europäische Kommission 14,5 Millionen Euro für humanitäre Unterstützung der Rohingya bereit, zusätzlich zu den 5,5 Millionen Euro, die bereits im Dezember 2012 vergeben worden waren. Diese Gelder sollen den Rohingya im Rakhaing bzw. Kachin Staat und in den östlichen Grenzregionen zugutekommen. Im UN-Menschenrechtsrat und in der Generalversammlung unterstützte die EU weiterhin kritische Resolutionen zu Burma.