Repräsentative Studie

Grenzen der Toleranz gegenüber Muslimen

Deutsche haben ein viel negativeres Bild von Muslimen als ihre europäischen Nachbarn. Zu diesem Schluss kommt die Studie des Religionssoziologen Detlef Pollack. Diese zeigt die kritische Haltung zum Islam in Deutschland auf.

30
01
2014

Unter dem Titel „Grenzen der Toleranz“ ist die viel beachtete internationale Studie zur Religionsvielfalt von Prof. Dr. Detlef Pollack aus dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“ in Buchform erschienen. Zentrales Ergebnis der repräsentativen Emnid-Erhebung ist, dass die Mehrheit der Deutschen ein viel negativeres Bild von Muslimen haben als ihre Nachbarn in Frankreich, Dänemark oder den Niederlanden.

Die Autoren des Buches legen in vertiefenden Analysen dar, wie Menschen in Europa Muslime, Juden, Buddhisten, Hindus und Atheisten wahrnehmen und welche individuellen und gesellschaftlichen Faktoren ihre Bereitschaft zur religiösen Toleranz beeinflussen. Vorurteilen könne laut Studie am Besten durch persönliche Kontakte zu Muslimen vorgebeugt werden.

Profil der Muslime in Europa

Die Forscher zeigen auch auf, unter welchen Bedingungen die befragten Menschen religiöse Vielfalt in ihrem Land akzeptieren oder ablehnen. Zudem wird erörtert, warum es mehr Ablehnung von Muslimen in Ost- als in Westdeutschland gibt und ob sich in Deutschland beim Thema Einwanderung und Islam eine neue kulturelle Spannungslinie ausmachen lässt.

Die Beiträge des Buches befassen sich darüber hinaus mit dem soziostrukturellen Profil der Muslime in Europa sowie mit dem Zusammenhang zwischen Staatsbürgerschaft, nationaler Identität und den Haltungen gegenüber Muslimen. Untersucht wird auch das Verhältnis zwischen Christen, Muslimen und Atheisten.

Detlef Pollack, Olaf Müller, Gergely Rosta, Nils Friedrichs und Alexander Yendell, Grenzen der Toleranz. Wahrnehmung und Akzeptanz religiöser Vielfalt in Europa, Wiesbaden: Springer VS, 2014, ISBN 978-3-531-18678-8, 247 Seiten, 39,99 Euro.

Probleme Muslimen Gleichberechtigung einzuräumen

Wo die „Grenzen der Toleranz“ liegen, wie es im Buchtitel heißt, hängt nach Einschätzung der Autoren davon ab, was unter dem Begriff zu verstehen sei. „Fasst man Toleranz lediglich als Form ‚bedingter Duldung‘ auf, die von religiösen Minderheiten Anpassung erwartet, findet man in Deutschland und anderen europäischen Ländern eine nahezu unbegrenzte Toleranz vor“, schreiben die Autoren.

Verstehe man unter Toleranz hingegen wechselseitige Achtung und echte Gleichbehandlung von unterschiedlichen religiösen Überzeugungen, seien die Grenzen bald klar: Das Recht auf sichtbare Religionsausübung im Alltag rufe gegenüber anderen Religionen vielfach abwehrende Reflexe hervor. „Dies gilt insbesondere für die Deutschen und ganz besonders für ihre Bereitschaft, den Muslimen Gleichberechtigung einzuräumen.“

Umdenken möglich

Allerdings lässt die Studie erkennen, dass die Positionen nicht so festgefahren sind, dass ein Umdenken unmöglich wäre: „Obwohl ein bedeutender Teil der deutschen Bevölkerung in der zunehmenden Zahl von Muslimen eine Ursache für Konflikte sieht, lässt sich nur bedingt von einer tief verankerten, politisch wirksamen Konfliktlinie sprechen. Die Mehrheit nimmt die Konflikte nicht als ‚Kampf der Kulturen‘ wahr.“

Zwischen der zunehmenden religiösen Vielfalt und einer reservierten Mehrheit gebe es zwar Spannungen. Sie hätten aber kein so hohes Maß erreicht, dass sie zu einem mentalitätsprägenden Kennzeichen der politischen Kultur geworden seien. „Insofern geben die an sich ernüchternden Ergebnisse der Studie auch ein Hoffnungszeichen“, unterstreichen die Forscher.

Studie im Exzellenzcluster entstanden

Zu den Autoren gehören die Religionssoziologen Prof. Dr. Detlef Pollack, Dr. Olaf Müller, Dr. Gergely Rosta, Nils Friedrichs und Alexander Yendell. Die Studie ist in der ersten Förderphase des Exzellenzclusters entstanden. Das Team führte die repräsentative Erhebung Mitte 2010 mit TNS Emnid in fünf europäischen Ländern unter dem Titel „Wahrnehmung und Akzeptanz religiöser Vielfalt in Europa“ durch. Ein neues Forschungsprojekt aus der zweiten Förderphase des Exzellenzclusters schließt an die Erhebung an. Es befasst sich mit der kulturellen und sozialen Integration türkischstämmiger Muslime in Deutschland.

Im Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) forschen rund 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehr als 20 geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern und 14 Nationen. Sie untersuchen das komplexe Verhältnis von Religion und Politik quer durch die Epochen und Kulturen. Es ist der bundesweit größte Forschungsverbund dieser Art und von den 43 Exzellenzclustern in Deutschland der Einzige zum Thema Religion. (exc/vvm/han/IslamiQ)

Leserkommentare

Ruby sagt:
Die Gegner des Islam müssen erst mal lernen, die Meinungen - von den hier lebenden Muslimen, worunter auch viele ältere Konvertierte sind - "richtig zu lesen, rictig zuzuhören und erst dann richtig verstehen. Die hier lebenden Muslime sind viel toleranter als die Christen und Atheisten im Besonderen. Mein Leben lang erlebe ich durch die Unwissenheit jener, dass man versucht, mich von meinem Glauben loszureißen. Diese Art und Weise empfinde ich extremer als Jehovas Zeugen. Sie wollen versuchen mir meine Freiheit -nicht nur im Spirituellen Sinne- zu nehmen. Natürlich werden sie es nie schaffen. Schon Goethe sagte: "Im Islam leben und sterben wir alle!" Menschen, die sich nicht mit der Wahrheit und dem Guten befassen, können den Sinn dieser Worte nicht verstehen. Solange man sich nicht mit den 3 Weltreligionen - sondern nur mit einer - beschäftigt und dazu lernt, wird es in Deutschland/Westlicher Welt keine Tolleranz und Akzeptanz gegenüber uns Muslimen geben. Aber, was keiner Zugeben will, ist unsere Tolleranz sehr hoch. Warum sind wir z.B. am Arbeitsplatz so sozial im Umgang mit Euch ohne Hochnäßig zu sein?
02.02.14
17:31
Ahmet sagt:
Nun gut. Gefühlsmäßig scheint die repräsentative Studie zu bestätigen, was wir Muslime vermuten, das die schweigende Mehrheit über uns denkt. Nur, was soll ich mit dieser Bestätigung anfangen? Solche Statistiken sind nur für Politiker interessant, weil sie sonst nichts haben, womit sie ihre Entscheidungen in Bezug auf die MInderheit der Muslime begründen können. Im Großen und Ganzen können wir als Muslime, zumindest was Deutschland betrifft, zufrieden sein, finde ich. Solange man sich noch, bei aller Kritik, auf die Gleichbehandlung durch Recht und Gesetz verlassen kann, kann man hier doch in Frieden und in geordneten Verhältnissen leben. Es wird zwar auf unserem Rücken Politik gemacht, aber damit kann ich leben, weil ich es weiß. Die Taktik ist, ich setze eine Minderheit, die sich nicht wehren kann, unter Druck, sich nach meinen Wünschen zu verhalten, weil ich weiß, die Mehrheit heißt das gut. Damit muss ich diese Ansprüche an die Mehrheit nicht mehr stellen, und habe es mit dem regieren einfacher. Das Mißtrauen zwischen der Minderheit und der Mehrheit, das ich so sähe, macht mir das Leben als Politiker einfach leichter und unbeschwerter. Richtig wohlfühlen kann man sich in so einer Atmosphäre des gegenseitigen Mißtrauens nicht, aber so lange es dabei bleibt, habe ich nichts dagegen einzuwenden. Zugleich bin aber doch froh, die Türkei hinter mir zu wissen, für den Fall des Falles.
03.02.14
16:07