Deutsche haben ein viel negativeres Bild von Muslimen als ihre europäischen Nachbarn. Zu diesem Schluss kommt die Studie des Religionssoziologen Detlef Pollack. Diese zeigt die kritische Haltung zum Islam in Deutschland auf.
Unter dem Titel „Grenzen der Toleranz“ ist die viel beachtete internationale Studie zur Religionsvielfalt von Prof. Dr. Detlef Pollack aus dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“ in Buchform erschienen. Zentrales Ergebnis der repräsentativen Emnid-Erhebung ist, dass die Mehrheit der Deutschen ein viel negativeres Bild von Muslimen haben als ihre Nachbarn in Frankreich, Dänemark oder den Niederlanden.
Die Autoren des Buches legen in vertiefenden Analysen dar, wie Menschen in Europa Muslime, Juden, Buddhisten, Hindus und Atheisten wahrnehmen und welche individuellen und gesellschaftlichen Faktoren ihre Bereitschaft zur religiösen Toleranz beeinflussen. Vorurteilen könne laut Studie am Besten durch persönliche Kontakte zu Muslimen vorgebeugt werden.
Die Forscher zeigen auch auf, unter welchen Bedingungen die befragten Menschen religiöse Vielfalt in ihrem Land akzeptieren oder ablehnen. Zudem wird erörtert, warum es mehr Ablehnung von Muslimen in Ost- als in Westdeutschland gibt und ob sich in Deutschland beim Thema Einwanderung und Islam eine neue kulturelle Spannungslinie ausmachen lässt.
Die Beiträge des Buches befassen sich darüber hinaus mit dem soziostrukturellen Profil der Muslime in Europa sowie mit dem Zusammenhang zwischen Staatsbürgerschaft, nationaler Identität und den Haltungen gegenüber Muslimen. Untersucht wird auch das Verhältnis zwischen Christen, Muslimen und Atheisten.
Wo die „Grenzen der Toleranz“ liegen, wie es im Buchtitel heißt, hängt nach Einschätzung der Autoren davon ab, was unter dem Begriff zu verstehen sei. „Fasst man Toleranz lediglich als Form ‚bedingter Duldung‘ auf, die von religiösen Minderheiten Anpassung erwartet, findet man in Deutschland und anderen europäischen Ländern eine nahezu unbegrenzte Toleranz vor“, schreiben die Autoren.
Verstehe man unter Toleranz hingegen wechselseitige Achtung und echte Gleichbehandlung von unterschiedlichen religiösen Überzeugungen, seien die Grenzen bald klar: Das Recht auf sichtbare Religionsausübung im Alltag rufe gegenüber anderen Religionen vielfach abwehrende Reflexe hervor. „Dies gilt insbesondere für die Deutschen und ganz besonders für ihre Bereitschaft, den Muslimen Gleichberechtigung einzuräumen.“
Allerdings lässt die Studie erkennen, dass die Positionen nicht so festgefahren sind, dass ein Umdenken unmöglich wäre: „Obwohl ein bedeutender Teil der deutschen Bevölkerung in der zunehmenden Zahl von Muslimen eine Ursache für Konflikte sieht, lässt sich nur bedingt von einer tief verankerten, politisch wirksamen Konfliktlinie sprechen. Die Mehrheit nimmt die Konflikte nicht als ‚Kampf der Kulturen‘ wahr.“
Zwischen der zunehmenden religiösen Vielfalt und einer reservierten Mehrheit gebe es zwar Spannungen. Sie hätten aber kein so hohes Maß erreicht, dass sie zu einem mentalitätsprägenden Kennzeichen der politischen Kultur geworden seien. „Insofern geben die an sich ernüchternden Ergebnisse der Studie auch ein Hoffnungszeichen“, unterstreichen die Forscher.
Zu den Autoren gehören die Religionssoziologen Prof. Dr. Detlef Pollack, Dr. Olaf Müller, Dr. Gergely Rosta, Nils Friedrichs und Alexander Yendell. Die Studie ist in der ersten Förderphase des Exzellenzclusters entstanden. Das Team führte die repräsentative Erhebung Mitte 2010 mit TNS Emnid in fünf europäischen Ländern unter dem Titel „Wahrnehmung und Akzeptanz religiöser Vielfalt in Europa“ durch. Ein neues Forschungsprojekt aus der zweiten Förderphase des Exzellenzclusters schließt an die Erhebung an. Es befasst sich mit der kulturellen und sozialen Integration türkischstämmiger Muslime in Deutschland.
Im Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) forschen rund 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehr als 20 geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern und 14 Nationen. Sie untersuchen das komplexe Verhältnis von Religion und Politik quer durch die Epochen und Kulturen. Es ist der bundesweit größte Forschungsverbund dieser Art und von den 43 Exzellenzclustern in Deutschland der Einzige zum Thema Religion. (exc/vvm/han/IslamiQ)