Die jüngsten Entwicklungen innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland und auch bei ihren regionalen Kirchen wecken Hoffnungen für den interreligiösen Dialog. Die Kirche denkt über ihre Standpunkte zum Thema Missionierung nach.
Toleranz und Respekt, beiderseitige Einladungen, Auftritte von muslimischen und kirchlichen Vertretern in Kirchen und Moscheen, Grußbotschaften zum Ende des Ramadans und zu Weihnachten, muslimische Kinder in kirchlichen Kitas und Schulen. Das alles ist längst selbstverständlich. Der interreligiöse Dialog zwischen Christen und Muslimen scheint angesichts solcher Praktiken völlig normal und etabliert zu sein.
Doch der Schein trügt. Noch immer verläuft der Dialog zwischen beiden Seiten nicht auf Augenhöhe. Ein besonderer Streitpunkt ist das Thema Missionierung. Es ist weiterhin nicht geklärt, ob die direkte Missionsarbeit gegenüber Muslimen durch die evangelische Kirche betrieben werden kann und soll. Hier kommt es auch immer wieder zu Verwerfungen im interreligiösen Dialog.
Einen Tiefpunkt in den Beziehungen beider Seiten erlebten Muslime in Deutschland durch eine Handreichung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Jahr 2006. Damals hatte Bischof Wolfgang Huber mit der Handreichung „Klarheit und gute Nachbarschaft“ die Muslime vor den Kopf gestoßen. Aus der Sicht der EKD schließen sich laut Handreichung Dialog und Mission nicht aus ((Handreichung „Klarheit und gute Nachbarschaft“, Evangelische Kirche in Deutschland, S. 113)). Gleichzeitig wurde in der Handreichung vermittelt, der Islam sei kein Teil Deutschlands. In der Folge kühlte das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen ab. Der Dialog zwischen EKD und Koordinationsrat der Muslime (KRM) wurde daraufhin für einige Zeit auf Eis gelegt.
Erst seit Kurzem gibt es wieder Annäherungen zwischen EKD und KRM, die hoffen lassen. Dies liegt nach Angaben von muslimischen Akteuren auch am neuen Ratspräsidenten der EKD, Nikolaus Schneider. Muslime beschreiben das Verhältnis zum Ratspräsidenten als positiv und vertrauensvoll. ((Zum Dialog zwischen dem KRM und der EKD, Dunya Adigüzel)) Zur Zeit wird unter anderem an einem gemeinsamen Dialogratgeber gearbeitet. Weitere Arbeitsgruppen, Dialogveranstaltungen und Gespräche seien zudem geplant.
Dass dieser Dialog zwischen EKD und KRM auch Früchte in den regionalen Kirchen trägt, zeigt eine Randnotiz in den Unterlagen für die Synode der Rheinischen Landeskirche (EKiR) aus dem Januar dieses Jahres. Darin heißt es: „Das Nein der EKiR zur Judenmission wird auch für den Islam weitergedacht.“ Die Formulierung berührt das Missionsverständnis der zweitgrößten protestantischen Landeskirche in Deutschland und damit ihr Verhältnis zum Islam. Dabei ist es in der EKiR unumstritten, dass Christen über ihren Glauben reden und andere dafür gewinnen sollen.
Vor der Synode machte der rheinische Präses Manfred Rekowski aber die Grenzen deutlich: Eine „strategische Missionierung“ von Muslimen habe es in der EKiR nie gegeben – und werde es auch künftig nicht geben. Dieser Festlegung stimmte die für Ökumene und den Dialog mit den Weltreligionen zuständige Oberkirchenrätin Barbara Rudolph voll zu. Zugleich kündigte sie an, dass die Kirchenleitung der Synode Anfang 2015 zum Thema eine Arbeitshilfe unter dem Titel „Weggemeinschaft und Zeugnis“ vorlegen will.
Rudolph warnte aber vor einem falschen Verständnis. Keineswegs sei mit „weiterdenken“ gemeint, den Islam mit den Juden auf eine gleiche Stufe zu stellen. Nach dem rheinischen Nein zur Judenmission (seit 2005) gehe es aber darum, auch das Verhältnis zum Islam zu klären. Das bedeute aber nicht, das christliche Missionsverständnis gegenüber den anderen Weltreligionen aufzuweichen.
Die Kirchenleitung hat erkannt, dass die Missionierung nicht nur gegenüber Muslimen, sondern auch gegenüber vielen Mitgliedern in den eigenen Reihen Sensibilität erfordert – nicht nur wegen des evangelikalen Lagers, welches das Nein zur Judenmission nicht akzeptiert. Unstrittig ist freilich, dass niemand an eine Missionierung vergangener Jahrhunderte denkt.
Über den richtigen Kurs gibt es daher innerhalb der rheinischen Kirche keine einheitliche Position. Das räumt auch Rudolph ein – wobei niemand eine „aggressive Mission“ will. Aber viele Fragen drängen sich immer stärker auf: Kann man ein nicht mehr genutztes Kirchengebäude den Muslimen überlassen, wie dies gegenwärtig in Hamburg der Fall ist? In welchen kirchlichen Einrichtungen können Musliminnen – mit Kopftuch – arbeiten? Kann in einem evangelischen Kindergarten das Ramadanfest gefeiert werden? Wie geht die Kirchenleitung damit um, dass Christen in vielen islamischen Staaten verfolgt werden? Man darf gespannt sein, wie die Arbeitshilfe der Kirchenleitung ausfallen wird und welchen Umgang mit Muslimen sie empfiehlt. (kna/iQ)