Der Europarat übt scharfe Kritik an Deutschland. Deutschland setze sich nicht entschieden genug gegen Rassismus ein. Es gebe starken Reformbedarf und viele Hassdelikte würden nicht als solche erkannt. Auch der Fall Thilo Sarrazin wird angesprochen.
Die beim Europarat ansässige „Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz“ (ECRI) hat ihren fünften Prüfbericht zur Lage der Rassismusbekämpfung in Deutschland vorgelegt. Darin kommt das ECRI zum Schluss, dass Deutschland nicht entschlossen genug gegen Rassismus und Intoleranz vorgeht. Der Umgang Deutschlands mit Rassismus bereite „Anlass zur Sorge“. Die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes müsse reformiert werden.
Zwar gebe es Fortschritte im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit, viele Hassdelikte in Deutschland würden allerdings nicht erkannt oder verurteilt. Der Blick der Behörden sei bei Hassdelikten zu sehr auf den organisierten Rechtsextremismus ausgerichtet. Kritisiert wird auch, dass die Behörden trotz der NSU-Morde noch immer nicht dazu gelernt hätten. So würden rassistische Motive bei Straftaten durch Polizei und Sicherheitskräfte immer noch viel zu schnell ausgeschlossen.
„Noch 2013 mussten die türkischen Stellen die Polizei bei mehreren Gelegenheiten daran erinnern, diese Möglichkeit nach schweren Bränden in Häusern, die von türkischstämmigen Menschen bewohnt wurden, ernsthaft zu erwägen“, erklärt das ECRI in ihrem Bericht.
Ausdrücklich wird auch vom ECRI der Fall Sarrazin aufgearbeitet. Die Kommission bedauere es, dass Hassreden selbst in öffentlichen Debatten aufgetaucht seien, ohne dass sie immer eindeutig verurteilt wurden. Bereits in ihrem vierten Bericht hatte die ECRI ihrer Sorge über bestimmte Äußerungen zu Muslimen Ausdruck verliehen, die sich auf Sicherheitsfragen oder ein mutmaßliches „Integrationsdefizit“ konzentrierten. Die ECRI bedauere es, dass Thilo Sarrazin, ehemaliges Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank und Politiker der Sozialdemokratischen Partei (SPD), ähnliche Bemerkungen in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ machen konnte.
Tief besorgt sei man jedoch auch über die Tatsache, dass mehrere publizistische Organe, wie die BILD-Zeitung und der SPIEGEL, Auszüge aus diesem Buch gedruckt haben. „Darüber hinaus haben diese rassistischen Äußerungen, in der auf die Veröffentlichung folgenden Debatte, erhebliche Unterstützung erhalten, über die von den Medien umfangreich berichtet wurde, obwohl nachgewiesen wurde, wie eng die vorgebrachten Argumente den Theorien der Eugenik kamen, die von den Nationalsozialisten befürwortet wurden“, schreibt die ECRI.
In 18 Handlungsempfehlungen wird Deutschland dazu aufgerufen, sich stärker gegen Diskriminierungen und Rassismus einzusetzen. Das ECRI fordert, dass Deutschland das Protokoll Nr. 12 zur Europäischen Menschenrechtskonvention so rasch wie möglich unterzeichnet. Die Kommission empfiehlt zudem eine Verschärfung der Strafverfolgung bei rassistisch motivierter Kriminalität. Ein rassistisches Motiv für eine Straftat müsse strafverschärfend wirken. Außerdem soll jede öffentliche Aufstachelung zur Rassendiskriminierung strafbar sein, auch wenn sie die öffentliche Ruhe nicht stört.
Auch eine Ausweitung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wird den Behörden empfohlen. Die Anwendung des AGG müsse auch auf den öffentlichen Sektor ausgeweitet werden. Racial Profiling durch Polizei und Sicherheitsbehörden sollten laut ECRI verboten werden. Parteien und Organisationen, die sich für Rassismus einsetzen, sollten keine finanzielle Förderung von staatlichen Stellen erhalten.
Das ECRI empfiehlt den deutschen Behörden, ihren Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und damit verbundene Intoleranz zu aktualisieren und diesen in den Nationalen Aktionsplan für Integration aufzunehmen, um sicherzustellen, dass er die gleiche Unterstützung erfährt wie dieser. Insgesamt ist die Kritik des ECRI am Deutschen System, dass es noch immer Rassismus viel zu sehr verharmlost.