Eine neue Sonderausstellung zeigt das oft unbekannte Leben der Muslime in Brandenburg-Preußen und wie die riesige Orientbegeisterung vergangener Tage in Deutschland aussah. Einzigartige Exponate geben einen Einblick in längst vergessene Tage.
Eine Sonderausstellung im Brandenburg-Preußen Museum in Wustrau zeigt vom 23. März bis zum 5. Oktober 2014 die vielfältige Beziehungsgeschichte Brandenburg-Preußens mit der Welt des Islam, mit den osmanischen Türken ebenso wie mit den osteuropäischen Tataren des 15. Jahrhunderts bis in die Anfänge der Weimarer Republik. Sie zeigt, wie die Menschen des „Orients“ und ihre kulturellen Lebenswelten hier aufgenommen wurden, wie die Wandlung des „Türkenbildes“ vom gefürchteten und verteufelten Feind zum exotischen Freund bis hin zu anerkannten preußischen Staatsbürgern verlief.
Die Sonderausstellung wird am 23. März mit drei Sonderführungen (11 Uhr, 13 Uhr, 15 Uhr) durch den Kurator Dr. Stephan Theilig eröffnet. Sie bietet nicht nur sehr spannende Geschichte(n), sondern auch Anregungen, sich mit den Fragen des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen auseinanderzusetzen.
Riesige Orientbegeisterung
Wer weiß zum Beispiel, dass Charlottenburg schon 1711 einen türkischen Bürgermeister hatte oder dass Friedrich der Große ein Kavallerieregiment hatte, das aus muslimischen Tataren bestand? Sie ritten für Allah und den König von Preußen. Und der König wie auch seine königlichen Nachfolger ließen ihnen und ihren Familien Dörfer zuteilen und Moscheen bauen.
Im 19. Jahrhundert war die Orientbegeisterung in Deutschland riesig: Könige, Zoodirektoren und Zigarettenfabrikanten ließen prächtige Moscheen errichten, als Maschinenhaus, als Antilopenanlage, als Zigarettenfabrik. Auch die ältesten wirklichen Moscheen in Deutschland wurden bei und in Berlin errichtet. Für die große Berliner Gewerbeausstellung 1896 wurde im Treptower Park die Stadt Kairo nachgebaut.
1839 brach ein Magdeburger Junge das Gymnasium ab, heuerte auf einem Segelschiff als Schiffsjunge an, sprang wegen der schlechten Behandlung in Istanbul über Bord, ertrank fast, wurde gerettet – und erschien 1878 auf dem Berliner Kongress als Pascha (Feldmarschall) an der Spitze der osmanischen Verhandlungsdelegation.
Öffnungszeiten
Die Sonderausstellung wird am Sonntag, 23. März um 10.00 Uhr eröffnet. Führungen durch den Kurator um 11 Uhr, um 13 Uhr und um 15 Uhr. Um Anmeldung wird gebeten.
April-Oktober Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr
November-März Dienstag bis Sonntag 10 bis 16 Uhr
Link: Brandenburg-Preußen-Museum
Facebook: Brandenburg-Preußen Museum
Einzigartige Ausstellungsstücke
Auch die 135 Ausstellungsstücke sind einzigartig: Das Museum zeigt unter anderem prunkvolle osmanische Dolche aus der Zeit der Kreuzzüge (aus dem Nachlass eben jenes „Paschas von Magdeburg“), eine von nur noch zwei überhaupt erhaltenen Fahnen der preußisch-muslimischen Reiterei sowie eine Uniform derselben, die eigens für die Ausstellung angefertigt wurde.
Zu den Exponaten zählen aber auch Janitschareninstrumente, die unsere europäische Musik stark beeinflusst haben, einen „sächsischen“ Janitscharenhelm aus dem Jahre 1730 sowie Briefe des Khans der Krimtataren mit prachtvoll vergoldeten Signaturen. Denn schon der Große Kurfürst pflegte im 17. Jahrhundert freundschaftlichen Briefverkehr mit dem Khan der Krimtataren.
Zwei Gemälde des berühmten Neuruppiner Orientmalers Wilhelm Gentz werden gezeigt und eine einzigartige Privatsammlung deutschsprachiger Korane, angefangen mit der ersten in deutscher Sprache erschienenen Ausgabe aus dem Jahr 1616 von Salomon Schweigger. Beeindruckend sind auch ein türkischer Schellenbaum einer Janitscharenkapelle (Mehterhane) und ein Schellenbaum, wie er heute bei der Bundeswehr verwendet wird. Ferner werden Lebensläufe von frühen türkischen Einwanderern nach Preußen und andere Ausstellungsstücke gezeigt.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (auch als eBook erhältlich) in Zusammenarbeit mit dem Yunus Emre Institut und dem Institut für Caucasica-, Tatarica- und Turkestan Studien (ICATAT).