Eine neue Studie zeigt: auf dem Ausbildungsmarkt werden Jugendliche allein aufgrund ihres ausländischen Namens benachteiligt. Eine Rolle spielt dabei auch der Druck, gesellschaftliche Erwartungen erfüllen zu müssen – etwa im Hinblick auf Frauen mit Kopftuch.
Geahnt hat man es schon länger, jetzt belegt es auch erstmals eine groß angelegte Studie des Forschungsbereichs beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Junge Menschen mit Migrationshintergrund werden bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen, trotz Fachkräftemangels, diskriminiert, wenn sie den falschen Namen haben.
Die Gründe für die Diskriminierungen sind jedoch verschieden. Eine Rolle spielen laut Studie häufig unbewusste Assoziationen, stereotype Zuschreibungen oder Erwartungen, die auf bestimmten Vorbehalten basieren. Dazu zählt beispielsweise die Annahme, dass ein Auszubildender mit Migrationshintergrund von Kunden weniger akzeptiert werden könnte.
Risikominierung und organisierte Diskriminierung
Für kleine und mittlere Unternehmen sind laut Studie zudem häufig Aspekte der ‚Risikominimierung‘ entscheidend: wenn eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen Abbruch der Ausbildung oder Schwierigkeiten bei der Integration ins Team vermutet werden, kann dies die Aussichten insbesondere von Bewerbern mit Migrationshintergrund verringern. Der für die Studie zuständige Leiter und Autor, Dr. Jan Schneider, erklärt: „Erwartungshaltungen, Vorurteile und Projektionen erweisen sich in Verbindung mit betrieblichen Auswahllogiken als Nährboden für Diskriminierung.“
In der Studie werden diese Punkte auch als Phänomen der „organisierten Diskriminierung“ bezeichnet. Die Personalauswahl in den Betrieben geschieht nicht ausschließlich auf „Beurteilungskriterien der industriellen Welt“. Ausgesuchte und befragte Personaler sagten, wie dies im Umgang mit muslimischen Frauen aussehen könnte: „Teilweise ist es auch der Druck, gesellschaftliche Erwartungen erfüllen zu müssen – besonders bei Kundenkontakt. Eine Frau mit Kopftuch an der Rezeption eines Hotels wäre nicht denkbar. Das wollen die Kunden nicht.“
Deutscher Name? Mehr Chancen!
Für die Studie wurden zwei Bewerbungen von gleich gut qualifizierten männlichen Bewerbern mit einem türkischen und einem deutschen Namen für die Ausbildungsberufe Kfz-Mechatroniker und Bürokaufmann an rund 1.800 Unternehmen verschickt. Die Auswertung der Rückläufe zeigt: Um eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu erhalten, muss ein Kandidat mit einem deutschen Namen durchschnittlich fünf Bewerbungen schreiben, ein Bewerber mit einem türkischen Namen hingegen sieben.
Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges und gemeinnütziges Beobachtungs-, Bewertungs- und Beratungsgremium, das zu integrations- und migrationspolitischen Themen Stellung bezieht und handlungsorientierte Politikberatung anbietet.
Der Forschungsbereich beim Sachverständigenrat führt eigenständige, anwendungsorientierte Forschungsprojekte zu den Themenbereichen Integration und Migration durch. Die projektbasierten Studien widmen sich neu aufkommenden Entwicklungen und Fragestellungen. Ein Schwerpunkt der Forschungsvorhaben liegt auf dem Themenfeld Bildung. Der SVR-Forschungsbereich ergänzt die Arbeit des Sachverständigenrats. Die Grundfinanzierung wird von der Stiftung Mercator getragen.
Die kompletten Ergebnisse der Studie können hier heruntergeladen werden.
Im Ausbildungsberuf Kfz-Mechatroniker ist die Benachteiligung sogar stärker ausgeprägt: Hier muss ein Bewerber mit einem türkischen Namen etwa 1,5-mal so viele Bewerbungen schreiben wie ein Kandidat mit einem deutschen Namen. Bei einer Bewerbung um einen Ausbildungsplatz als Bürokaufmann sind es 1,3-mal so viele.
Größe der Betriebe mit entscheidend
„Diskriminierung tritt also nicht in allen Branchen gleichermaßen auf“, erläutert Dr. Jan Schneider. „Einen wichtigen Einfluss auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung hat außerdem die Unternehmensgröße: Die Diskriminierungsrate ist bei kleinen Firmen mit weniger als sechs Mitarbeitern deutlich höher als bei mittleren und großen Unternehmen.“
Die Auswirkungen der Ungleichbehandlung können gravierend sein. „Wo diskriminiert wird, entgehen den Ausbildungsbetrieben geeignete Bewerber. Mittelfristig kann dies die Sicherung der Fachkräftebasis gefährden“, sagt Schneider. Problematisch und integrationspolitisch folgenschwer seien aber auch die Konsequenzen für den Einzelnen. „Wenn junge Menschen mit Migrationshintergrund die Erfahrung machen, dass sie auf ihre Bewerbungen immer wieder Absagen erhalten, kann das zu Resignation und Rückzugstendenzen führen.“
Handlungsempfehlungen für Chancengleichheit
Um Diskriminierung zu vermeiden und Chancengleichheit auf dem Ausbildungsmarkt herzustellen hat der SVR-Forschungsbereich eine Reihe von Handlungsempfehlungen entwickelt. Um Diskriminierung vorzubeugen sollten Firmenchefs, Personalverantwortliche und Ausbilder verstärkt sensibilisiert werden. Bislang sei die Vermittlung interkultureller Kompetenz nur selten fester Bestandteil der Lehrgänge für angehende Ausbilder.
Ein entscheidender Beitrag zur Verringerung von Diskriminierung in Bewerbungsverfahren sei zudem die Anonymisierung von Bewerbungen. Doch fehlten insbesondere kleinen Unternehmen oft die personellen und finanziellen Ressourcen, anonymisierte Bewerbungsverfahren durchzuführen.
Darüber hinaus sollten Schulen und Unternehmen enger kooperieren, um Jugendlichen erste Kontakte zu Arbeitgebern zu ermöglichen. Denn nach wie vor beschäftigen über zwei Drittel der Ausbildungsbetriebe in Deutschland keine Auszubildenden mit Migrationshintergrund. Praxistage und Kurzpraktika sind für Jugendliche mit Migrationshintergrund eine Chance, ihr Können unter Beweis zu stellen und ‚einen Fuß in die Tür‘ zu bekommen.
„Jede Diskriminierungserfahrung ist eine versagte Teilhabechance. Das ist integrationspolitisch kontraproduktiv“, sagt Schneider. Doch die Unternehmen sollten Diskriminierung auch im wirtschaftlichen Eigeninteresse vermeiden. Denn bei der Sicherung des betrieblichen Nachwuchses seien die Betriebe in Zeiten des Fachkräftemangels mehr denn je darauf angewiesen, das gesamte Potential der Bewerber auszuschöpfen.