Ein Ehrenmord-Urteil sorgt bundesweit für Kritik. Das Gericht machte mildernde Umstände geltend. Jetzt wird über einen angeblichen „Islam-Bonus“ diskutiert. Dabei zeigt eine aktuelle Studie: Es gibt keinen Kultur-Rabatt für „Ehrenmörder“.
Es fing an mit einem vermeintlich harmlosen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Darin wurde ein Urteil des Landgerichts Wiesbaden als zu milde kritisiert. Der Täter, ein Deutscher mit afghanischen Wurzeln, hatte seine schwangere Freundin mit drei Messerstichen umgebracht. Er bekam lebenslänglich. Das Gericht stellte allerdings keine Schwere der Schuld fest, was bedeutet, dass der Täter nach 15 Jahren Haft, entlassen werden könnte. Das Urteil gegen den Täter, der die junge Frau vergeblich zu einer Abtreibung hatte zwingen wollen, sorgte bundesweit für heftige Kritik.
Das Gericht hatte nämlich in der Urteilsbegründung erklärt, der Täter habe sich „aufgrund seiner kulturellen und religiösen Herkunft in einer Zwangslage befunden.“ Was hierauf folgte, waren zahlreiche Empörungen über den Fall selbst aber auch über einen angeblichen „Islam-Bonus“. Dabei sind Ehrenmorde kein pur islamisches oder muslimisches Phänomen. Dennoch wurde der Eindruck erweckt, Ehrenmorde seien nur das Problem von Muslimen. Mit dazu beigetragen haben Unionspolitiker wie Wolfgang Bosbach oder Stephan Mayer, die einen „Islam-Rabatt“ bzw. „Islam-Bonus“ wegen kultureller oder religiöser Hintergründe ablehnten.
Dabei wird in einem Strafprozess jede Tat auch in Bezug auf mildernde Umstände untersucht – auch bei Neonazis, die beispielsweise aus einem Gruppenzwang heraus einen Mord begehen. Selbst beim NSU-Prozess gegen fünf mutmaßliche Mitglieder der Terrororganisation werden etwaige mildernde Umstände zur Sprache kommen.
Ehrenmörder bekommen keinen kulturellen Rabatt
Interessant in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass Spiegel Online erst kürzlich auf eine noch nicht veröffentlichte Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg hinweist. Danach kommt die Forscherin Julia Kasselt zum Schluss, dass „Ehrenmörder“ nicht milder bestraft werden, als Partnermörder. Im Gegenteil. Das Fazit der Forscherin, die 78 Fälle zwischen 1996 – 2005 ausgewertet hat, lautet: „Die Justiz gibt Ehrenmördern keinen ‚kulturellen Rabatt‘.“
Als vernünftige Stimme der deutschen Politik meldete sich denn auch einzig Aydan Özoğuz (SPD) zum Thema. Sie warnte als Integrationsbeauftragte der Bundesregierung vor einer Schieflage in der Debatte. Es sei „absurd“, das Urteil mit einem „Islambonus“ in Verbindung zu bringen. „Weder im Islam noch im Christentum wäre es auch nur annähernd akzeptabel, eine Frau zur Abtreibung zu drängen, und es gäbe wohl kaum eine größere Sünde als eine schwangere Frau zu ermorden“, sagte Özoğuz der Passauer Neuen Presse.
Zentralrat stellt erneut klar
Mittlerweile sah sich aber auch der Zentralrat der Muslime zu einer Erklärung genötigt. In einer Erklärung teilte der Zentralrat mit, dass „sogenannte „Ehrenmorde“sich in keinster Weise mit dem Islam begründen“ ließen. Der Islam verbiete Mord aufs Schärfste und vergleiche diesen sogar in einer prophetischen Überlieferung mit der Auslöschung der ganzen Menschheit. Ebenso sei die Zwangsverheiratung im Islam vollkommen verboten.
„Diese Grundsätze sind unveränderliche, anerkannte und einheitliche Lehrmeinungen in der gesamten islamischen Welt. Dazu gibt es einen eindeutigen Konsens unter allen Gelehrten des Islam“, sagt der Zentralrat. Die Debatte um einen „Islam-Bonus“ bei „Ehrenmorden“ dürfte dennoch weitergeführt werden. (as/KNA)