SVR-Jahresgutachten

Mehr Anstrengungen nötig

Der Sachverständigenrat Deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hat in Berlin sein Jahresgutachten vorgestellt. Darin wird das weitere Bemühen um die institutionelle Anerkennung und Gleichstellung des Islams in Deutschland gefordert. Der Integrationsbarometer liefert interessante Ergebnisse.

29
04
2014

In Berlin wurde heute das Jahresgutachten des Sachverständigenrates Deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) vorgestellt. Der Sachverständigenrat untersucht darin den Wandel Deutschlands hin zu einem modernen Einwanderungsland und gibt mit seinem Jahresgutachten einen Überblick zur aktuellen Situation und Handlungsempfehlungen für die Zukunft. So sind laut aktuellem Bericht Fortschritte in der Migrationspolitik erzielt worden, jedoch zeichne sich die Integrationspolitik durch Licht und Schatten aus.

Mit seinem fünften Jahresgutachten liefert der SVR konkrete Handlungsempfehlungen für eine mögliche Weiterentwicklung der Integrations- und Migrationspolitik in Deutschland. Laut SVR bestehe vor allem im Bildungsbereich weiterhin ein enormer Handlungsbedarf. Man vermisse zudem eine zuwanderungspolitische Gesamtstrategie. Der SVR empfiehlt erneut die Schaffung eines nationalen Aktionsplans Migration. Der SVR-Integrationsbarometer zeigt zudem erneut ein positives Integrationsklima an. Erstmals wurden auch Fragen zu religiöser Vielfalt gestellt. Gleichzeitig wird stärkeres Engagement für die Gleichstellung des Islams in Deutschland gefordert.

Institutionelle Gleichstellung des Islams kommt voran

In diesem Zusammenhang sieht der SVR Erfolge und Rückschläge bei der institutionellen Gleichstellung des Islams in Deutschland. Die Anstrengungen der Politik hätten an vielen Stellen Früchte getragen. Fortschritte konnten laut SVR vor allem bei der Etablierung von islamischem Religionsunterricht als ordentlichem Lehrfach an Schulen und dem Ausbau islamischer Theologie an den Universitäten erzielt werden. „Auch wenn Deutschland bei der institutionellen Gleichstellung des Islam vorangekommen ist, bleibt von Seiten des Staates, aber auch der islamischen Verbände noch viel zu tun“, sagte Christine Langenfeld, Vorsitzende des Sachverständigenrates.

Die islamischen Gemeinschaften müssten Anstrengungen zur Gründung einer oder mehrerer islamischer Religionsgemeinschaften mit transparenten Strukturen weiter vorantreiben. Die aktuellen Debatten um die Besetzung eines Lehrstuhls für islamische Theologie in Münster und über die Reichweite wissenschaftlicher Autonomie zeigten, dass ein offener und kritischer Diskurs über die Weiterentwicklung des Islams und seine Stellung im pluralen Staat dringend nötig seien.

Über den Sachverständigenrat
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration geht auf eine Initiative der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung zurück. Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges und gemeinnütziges Beobachtungs-, Bewertungs- und Beratungsgremium, das zu integrations- und migrationspolitischen Themen Stellung bezieht und handlungsorientierte Politikberatung anbietet. Die Ergebnisse seiner Arbeit werden in einem Jahresgutachten veröffentlicht.

Das gesamte und ausführlichere Jahresgutachten kann auf der Website des Sachverständigenrates heruntergeladen werden.

Schulen versagen bei Integration

Anders fällt die Bewertung im Integrationsbereich aus. „Einigen gelungenen Initiativen stehen nach wie vor Baustellen und verpasste Chancen gegenüber“, sagte Langenfeld. Im Schlüsselbereich Bildung fällt die Bilanz des SVR eher ernüchternd aus. Bei Schülern mit Migrationshintergrund zeigten sich immer noch deutliche Leistungsrückstände, auch wenn sie inzwischen in internationalen Leistungstests (PISA, IGLU, TIMSS) besser abschneiden würden. „Der Institution Schule gelingt es noch zu wenig, die Startnachteile von Schülern mit Migrationshintergrund auch nur annähernd auszugleichen“, betonte Langenfeld. „Es muss besser gelingen, Chancengleichheit für Schüler mit Migrationshintergrund sowie Schüler aus sozial schwachen Familien herzustellen“, sagte Langenfeld.

Hierfür müsse der Unterricht stärker individualisiert gestaltet werden, um Schüler entsprechend ihrer Stärken und Schwächen fördern zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, empfiehlt der SVR, Lehrer in der Aus- und Weiterbildung besser auf den Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft vorzubereiten. Der Ausbau qualitativ hochwertiger Ganztagsangebote an Schulen müsse vorangetrieben und die Sprachförderung an Kitas und Schulen besser aufeinander abgestimmt werden. Überdies bedürfe es im föderalen Deutschland einer validen und einheitlichen Ermittlung des Sprachförderungsbedarfs.

Integrationsbarometer: „Gleichstellung ohne Sonderrechte“

Insgesamt sei Deutschland in den letzten Jahren bei der anspruchsvollen Aufgabe vorangekommen, auf der einen Seite die institutionelle Gleichstellung des Islams voranzutreiben und auf der anderen Seite gleichzeitig zu vermeiden, religiöse Sonderrechte zu etablieren. Diese Politik der „Gleichstellung ohne Sonderrechte“ finde Unterstützung in der Bevölkerung. Das zeige das SVR-Integrationsbarometer, das sich in diesem Jahr erstmals der Frage der institutionellen Gleichstellung des Islams widmet: „Eine religiöse Gleichbehandlung wird mehrheitlich befürwortet, einer „Sonderbehandlung“ aus religiösen Gründen wird aber mit Skepsis begegnet“, lautet das Fazit der SVR-Vorsitzenden.

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Die Mehrheit der Bevölkerung ist bereit, den Islam institutionell mit anderen Religionen gleichzustellen: Eine knappe Mehrheit der rund 5.660 Befragten mit und ohne Migrationshintergrund befürwortete islamischen Religionsunterricht an Schulen (51,3 mit bzw. 55,1 % ohne Migrationshintergrund). Etwa zwei Drittel (63,3 bzw. 68,9 %) sprechen sich dafür aus, dass islamische Theologie an deutschen Universitäten gelehrt wird. Religiös begründete Wünsche nach einer Sonderbehandlung stoßen hingegen auf Skepsis: Eine Befreiung vom Sport- bzw. Schwimmunterricht aus religiösen Gründen wird deutlich abgelehnt (68,0 % mit bzw. 75,9 % ohne Migrationshintergrund), ebenso wie eine Erlaubnis für muslimische Lehrerinnen, an staatlichen Schulen ein Kopftuch zu tragen (54,8 % mit bzw. 63,1 % ohne Migrationshintergrund).

Islam ein Teil von Deutschland?

Das SVR-Integrationsbarometer zeigt ebenfalls, dass es noch Anstrengungen, Zeit und ein kluges Handeln der beteiligten Akteure erfordert, bis der Islam als ein selbstverständlicher Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands betrachtet wird. Die Bewertung des Satzes „Der Islam ist ein Teil Deutschlands“ ergibt jedenfalls eine knappe, aber dennoch mehrheitliche Verneinung. 53,2 % der Befragten ohne Migrationshintergrund lehnten die Feststellung „Der Islam ist ein Teil Deutschlands“ „eher“ oder „voll und ganz“ ab, immerhin 45,2 % stimmten der Aussage zu.

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Ein umgekehrtes Bild ergab sich bei den Befragten mit Migrationshintergrund: Hier bejahte eine knappe Mehrheit (54,0 %), dass der Islam „eher“ oder „voll und ganz“ ein Teil Deutschlands ist. Aber auch hier verneinten dies 44,0 %. Langenfeld warnte davor, aus diesen Zahlen voreilige Schlüsse zu ziehen: „Wer glaubt, daraus eine generelle islamskeptische oder gar islamfeindliche Haltung der Bevölkerung ableiten zu können, der irrt. Wer jedoch die Augen vor diesem Thema verschließt und meint, es müsse in der Weiterentwicklung der institutionellen Gleichstellung und in den interreligiösen Beziehungen nichts geschehen, der irrt ebenfalls.“ Die Ergebnisse des Integrationsbarometers seien ein wichtiges Signal, das nicht ignoriert werden dürfe.

Modernes Staatsangehörigkeitsrecht noch nicht verwirklicht

In die Kategorie der verpassten Chancen gehört laut SVR zweifellos der von der Bundesregierung vereinbarte Kompromiss zum Staatsangehörigkeitsrecht. Damit wird zwar, wie vom SVR seit langem gefordert, die Optionspflicht abgeschafft. Allerdings wirft die Regelung zwei neue Probleme auf: Zwischen dem Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt einerseits und durch Einbürgerung andererseits entstehe eine nicht nachvollziehbare Asymmetrie.

Ausgerechnet Zuwanderern, die sich einbürgern lassen wollen und die dazu nicht nur ein gesichertes Einkommen und Deutschkenntnisse – also „Integrationserfolge“ – nachweisen, sondern auch einen Einbürgerungstest bestehen müssen, bleibt die doppelte Staatsangehörigkeit verwehrt. Für den Erwerb durch Geburt soll der „Doppelpass“ hingegen unter bestimmten Voraussetzungen möglich werden. Außerdem bleibt mit dem Kompromiss das Problem einer unbegrenzten Vererbung der Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes ungelöst. Die Folge seien politisch und rechtlich problematische Mehrfachstaatsangehörigkeiten.

Weiter Tritt gefasst

Insgesamt kommt der SVR zu dem Ergebnis, dass Deutschland nach vielen Jahren einer migrations- und integrationspolitischen Lethargie weiter Tritt gefasst hat und sich auf dem Weg zu einem modernen Einwanderungsland befindet. Hier sei die Politik weiterhin gefordert, die anstehenden Fragen mutig, zielorientiert und umfassend anzupacken. Bei der Integrationspolitik sei mehr Dynamik geboten: Vor allem bei der Bildungsintegration, im Staatsangehörigkeitsrecht und auch bei der institutionellen Gleichstellung des Islam bestehe weiterhin politischer Handlungsbedarf.

Leserkommentare

Ute Diri-Dost sagt:
Ich frage mich,was die deutsche Stiftung für Intergration und Migration dazu berechtigt,Religion,speziell Islam,das Problem der Integration in der Religion(speziell im Islam) zu sehen,das ist gegen das Grundgesetz,das jedem freie Meinungsäusserung und freie Religionsausübung gewährt,dem auch ihre fadenscheinigen Umfragen widersprechen,mit dem die Medien beeinflusst werden sollen.Die Probleme liegen ganz woanders,nämlich jedem nämlich JEDEM Migranten,gleich welcher Herkunft oder Religion, zu einem menschenwürdigen Dasein und kostenlosen deutschen Sprachkursen zu verhelfen sowie für Schüler Nachhilfeunterricht unentgeltlich zu organisieren.Wenn das nicht möglich sein sollte,muss man eben keine Migranten mehr ins Land lassen.Organisationen dieser Art müssen unparteiisch und integer sein,sonst sind sie überflüssig.
29.04.14
20:50