NSU-Prozess

Ein Jahr lang Schweigen

Aufklärung im NSU-Prozess erhofft sich kaum noch Jemand. Dies zeigt auch ein Blick in die türkischstämmige Community, die von den Entwicklungen tief betroffen ist. Und Beate Zschäpe schweigt sich weiterhin aus.

06
05
2014
0

Vor genau einem Jahr begann vor dem Oberlandesgericht München (OLG München) der Prozess um den rechtsextremen Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und die sog. NSU-Morde. Im Vorfeld war die Stimmung getrübt über die Platzvergabepraxis und Kommunikation des OLG München. Mittlerweile geht das Verfahren seinen Weg – doch an Aufklärung glauben nur noch die Wenigsten.

„Die haben unsere Landsleute umgebracht und der Staat versucht die Dinge zu vertuschen!“, sagt Hamdi A.* Der türkische Friseur ist seit über zwanzig Jahren in Deutschland und gibt nur das wider, was er von seinen Landsleuten im Gespräch zum Thema hört. „Sie sind natürlich alle frustriert. Es ist ja nicht das erste Mal, dass man unsere Leute getötet hat“, sagt er erklärend.

Wunde sitzt tief

Tatsächlich sitzt die Wunde bei der türkischstämmigen Bevölkerung tief. Nach Rostock, Hoyerswerda, den Brandanschlägen von Mölln und Solingen hat sie auch auf Aufklärung gehofft. Doch die schnell gefassten Täter lieferten statt Antworten immer neue Fragen. Ähnlich sieht es jetzt auch beim NSU-Prozess aus. Viele haben den Eindruck, da steckt mehr dahinter. Beate Zschäpe könnte gar ein Sündenbock sein. Das Misstrauen gegenüber dem Deutschen Staat ist groß.

Doch die Einzige, die Licht in das Dunkel bringen könnte, die Hauptangeklagte Beate Zschäpe, schweigt sich beharrlich aus. Kein Wort, keine Silbe zu den Vorwürfen. Die mutmaßlichen Unterstützer glänzen mit „Erinnerungslücken“. Im Verfahren betonen sie immer wieder: „Ich kann mich nicht erinnern.“ oder „Ich erinnere mich nicht daran.“ Auch die geladenen Zeugen tragen kaum zur Aufklärung bei. Auch hier „Erinnerungslücken“.

Prozess wird stark verfolgt

Die türkischstämmige Bevölkerung verfolgt daher den Prozess, bei den es um den Mord an 8 ihrer Landsleute, einem Griechen und einer Polizistin geht, sehr genau. Das Interesse ist hier ungebrochen. Türkische Medien berichten fast täglich über den Prozess und vor allem: Über Ungereimtheiten. Und selbst die türkische Regierung beobachtet genau, was in der Politik, in Deutschland und insbesondere beim Prozess passiert.

Als Bundespräsident Joachim Gauck den türkischen Ministerpräsidenten vor Kurzem in einer Ansprache an der Universität Ankara kritisiert, erklärt Erdogan in seiner harten und deutlichen Antwort: „Sie können nicht einmal den Mord an acht unserer Landsleute erklären. Behalten Sie ihre Ratschläge für sich.“ Tatsächlich bemüht sich die türkische Regierung, den Opferfamilien beizustehen. Seitdem die Fälle bekannt geworden sind, hat man sich bereits mehrfach mit Angehörigen der NSU-Opfer getroffen und Trost gespendet.

Sorgen werden nicht ernst genommen

Aber noch etwas ist geschehen. Die türkische Regierung hat sich bei der türkischstämmigen Bevölkerung direkt zum Thema informiert. Ob in Moscheen, Kulturvereinen oder Verbänden – immer wieder wurde das Anliegen der Bevölkerung angehört, auch von Spitzenpolitikern wie dem Außenminister Ahmet Davutoğlu.

Ein Punkt, an den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) anscheinend nicht denkt oder aus Zeitgründen nicht weiter verfolgt. Sie hatte zwar während des Staatsaktes für die NSU-Opfer Aufklärung versprochen – doch getan hat sich seitdem nichts. Und die Opferfamilien hatten sich zuletzt über den Bundespräsidenten und auch über die Bundeskanzlerin teilweise enttäuscht gezeigt.

Heute, ein Jahr später, geht das Verfahren um den NSU weiter. Beate Zschäpe’s Anwälte beantragten eine Unterbrechung. Der Mandantin ginge es nicht gut. Nach mehrfacher Unterbrechung wurde von den Anwälten Zschäpes ein Befangenheitsantrag gegen den behandelnden Arzt gestellt. Wie aus der Nebenklage berichtet wird, sei Zschäpe Übel geworden, nachdem sie heute früh einen Brief erhalten hat. Worum es genau geht? Weiß man nicht so genau. Wieder keine Aufklärung. Mittlerweile ein Alltag in Deutschland. (as)

*Name geändert