Rechtsextreme Frauen werden aufgrund von stereotypen Vorstellungen häufig unterschätzt. Dabei sind rechtsextreme Frauen längst nicht mehr einfache Mitläufer, sondern aktive Protagonisten der rechten Szene. Die Amadeu Antonio Stiftung zeigt die Gefahren der „Nazi-Bräute“ und fordert ein Umdenken.
Werden rechtsextreme Frauen unterschätzt? Ja, sagt die Amadeu Antonio Stiftung und legt als Beleg dafür ihre neueste Studie „Rechtsextreme Frauen – übersehen und unterschätzt“ mit Analysen und Handlungsempfehlungen vor. Die Studie wurde gestern in Berlin vorgestellt und zeigt, dass Stereotype über das vermeintlich „schwächere“ Geschlecht im Alltag weit verbreitet sind. Diese sind allerdings hochproblematisch, weil sie verhindern, dass genaue Einschätzungen über Einfluss und Aktivitäten von rechtsextremen Frauen gemacht werden können.
Das Ausblenden von rechtsextremen Frauen sei zudem in Deutschland stark verbreitet. Die rassistischen und antisemitischen Einstellungen von rechtsextremen Mädchen und Frauen werden laut Stiftung in der Zivilgesellschaft, Sozialarbeit und Erziehung sowie in Medien und Gemeindeverwaltungen nur wenig wahrgenommen, ja sogar verharmlost. Dies erschwert laut Stiftung vor allem die Entwicklung effektiver Gegenstrategien.
Anhand von Fallgeschichten wird in der Broschüre aufgezeigt, wie Justiz, Zivilgesellschaft und Medien beim Thema versagen. Das Vernachlässigen der Geschlechterperspektive hat laut Amadeu Antonio Stiftung zum Misserfolg staatlicher Arbeit gegen Rechtsextremismus geführt. Das Beispiel des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) zeige wie der Verfassungsschutz und die Polizei in der Aufklärung versagt hätten, weil bereits im Vorfeld Frauen bei der Erstellung eines Täterprofils ausgeschlossen wurden.
Auch wenn im Zuge des Gerichtsprozesses gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe die öffentliche Wahrnehmung rechtsextremer Frauen zugenommen habe, werde Rechtsextremismus laut Stiftung nach wie vor vorwiegend als männliches Problem wahrgenommen.
Dabei ist Beate Zschäpe kein Einzelfall. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich Frauen in verschiedenen rechtsterroristischen Gruppierungen engagiert. Sie sind laut Amadeu Antonio Stiftung radikaler und aktiver geworden, dennoch werden sie als unpolitisch und passiv wahrgenommen, ja sogar als „friedliebend“. Man traut ihnen Gewalttaten und Terrorismus nicht zu.
„Rechtsextreme Frauen treten als Aktivistinnen, Straßenkämpferinnen und Kameradschaftsführerinnen auf, als Koordinatorinnen von Demonstrationen, Internetaktivistinnen und (Lokal-)Politikerinnen“, erklärt die Stiftung. Man spreche hier von einer „Ausdifferenzierung von Positionen, die rechtsextreme Frauen in der Szene einnehmen“ könnten.
Die Amadeu Antonio Stiftung warnt aber auch vor dem Vorgehen der rechtsextremen Frauen. „Sie gehen strategisch vor, um sich in den sozialen Bereichen, wie z.B. in Pflegeberufen, und im Erziehungsbereich (z.B. in der Nachbarschaft, in Kindergärten oder Sportvereinen) unentbehrlich zu machen. Rechtsextreme Mädchen und junge Frauen wählen gezielt Ausbildungen in diesen Bereichen, als Mütter engagieren sich verstärkt in Elternvertretungen der Schulen und Kindergärten. Häufig treten sie als die nette Nachbarin von nebenan oder die zupackende Abgeordnete im Gemeinderat auf“, erklärt die Stiftung in ihrer Broschüre.
Die Amadeu Antonio Stiftung sieht einen deutlichen Bedarf an „geschlechterreflektierenden Ansätzen“ in allen Strategien und Aktivitäten der Rechtsextremismusprävention. Es brauche eine starke Sensibilisierung aller wichtigen Akteure wie z.B. Schulen. Die Handlungsempfehlungen in der Broschüre zielen auf alle gesellschaftlichen Bereiche. Doch eine Empfehlung sticht besonders hervor. Im Kampf gegen Rechts gibt es zwar Ausstiegsprogramme für Rechtsextreme, doch keines dieser Programme richte sich speziell an rechtsextreme Frauen.