Der niedersächsische Verfassungsschutz hat jahrelang die Daten von ca. 100 Muslimen allein wegen des Besuchs von Freitagsgebeten in mutmaßlich „extremistischen“ Moscheen erfasst. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung von gespeicherten personenbezogenen Daten beim niedersächsischen Verfassungsschutz.
Rund 21 Prozent der personenbezogenen Speicherungen beim niedersächsischen Verfassungsschutz seien fehlerhaft und müssten umgehend gelöscht werden. Weitere knapp 18 Prozent seien zeitnah aus der Amtsdatei zu entfernen. Zu diesem Ergebnis kommt die im vergangenen Herbst vom Niedersächsischen Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius (SPD), eingesetzte Task Force zur Überprüfung des personenbezogenen Datenbestandes beim Verfassungsschutz in ihrem am Dienstag (13.05.2014) vorgestellten Abschlussbericht.
1.937 Speicherungen (21,51 Prozent) werden in dem Abschlussbericht von der Task Force beanstandet und müssen umgehend gelöscht werden. Darunter sind auch die Daten von ca. 100 Muslimen, die durch den Verfassungsschutz über mehrere Jahre erfasst wurden. Die Erfassung erfolgte laut Task Force allein wegen regelmäßiger Besuche von Freitagsgebeten, und damit wegen verfassungsrechtlich geschützter Religionsausübung. Weitere 1.564 Speicherungen (17,37 Prozent) müssen auf Empfehlung der Task Force zeitnah gelöscht werden, da sie nicht länger für die Aufgabenerfüllung erforderlich sind. 5.503 Speicherungen (61,12 Prozent) werden von der Task Force nicht zur Löschung empfohlen.
Innenminister Boris Pistorius zeigte sich von den Ergebnissen der Task Force überrascht. „Ich hatte ein solches Ergebnis nicht erwartet. Von den Daten, die die Task Force im letzten Herbst vorgefunden hat, werden danach in naher Zukunft nur gut 60 Prozent übrig bleiben. Das ist erschreckend, weil es nicht um Versehen oder individuelle Fehler einiger weniger Mitarbeiter geht, sondern weil das System offenbar versagt hat und es keine Absicherung gab. Nach diesen Ergebnissen liegt ein Fall von Organisationsverschulden vor“, erklärte Pistorius.
Anlass für die Einsetzung der Task Force waren die im September letzten Jahres bei einer stichprobenartigen Prüfung der Verfassungsschutzpräsidentin entdeckten fehlerhaften Speicherungen von unter anderem journalistisch und publizistisch tätigen Personen. Die Task Force hat insgesamt 9.004 personenbezogene Dateispeicherungen überprüft.
Die Task Force kritisiert in ihrem Bericht, dass viele Daten häufig länger als notwendig gespeichert wurden, weil die Maximalfrist in einem Großteil der Fälle nicht die gesetzlich vorgesehene Ausnahme war, sondern automatisch zur Regel gemacht worden war. Grundsätzlich gilt bei personenbezogenen Speicherungen die gesetzliche Höchstfrist von fünf Jahren für die Wiedervorlage zur Prüfung der sogenannten Erforderlichkeit.
Innenminister Pistorius erklärte, der Datenbestand müsse jetzt schnellstmöglich bereinigt werden. „Zusammen mit den im April vorgestellten Empfehlungen der Expertengruppe zur Reform des Niedersächsischen Verfassungsschutzes haben wir jetzt eine Grundlage für eine Neuausrichtung. Der reformierte Niedersächsische Verfassungsschutz muss seine Aufgabe zukünftig wesentlich klarer an den Grundrechten ausrichten und sensibel auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes achten“, sagte Pistorius.