Europawahl 2014

Europa willkürlich in der Durchsetzung von Menschenrechten?

Wir wollten von den Fraktionen im Europaparlament wissen, was sie vom Vorwurf halten, Europa sei willkürlich in der Durchsetzung von Menschenrechten. Die Antworten gibt es in unserer Reihe zur Europawahl 2014.

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05
2014
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Zwischen dem 22. und 25. Mai 2014 wird in allen Staaten der Europäischen Union (EU) ein neues Europaparlament gewählt. IslamiQ hat die bisher im Europaparlament vertretenen Fraktionen, die sich aus einzelnen Parteien aus den Mitgliedsstaaten der EU zusammensetzen, angeschrieben und Fragen von aktueller Bedeutung für Muslime wie Nichtmuslime gestellt. Die Antworten der Fraktionen werden in einer Themenreihe auf IslamiQ veröffentlicht.

Thema heute: Menschenrechte

IslamiQ: In der arabisch-islamischen Welt wird Europa häufig als Gegenpol zum Islam betrachtet. Wie reagiert Ihre Fraktion auf Anschuldigungen seitens islamischer Akteure, dass Europa zu den Menschenrechtsverletzungen und zur Ungerechtigkeit gegenüber Muslimen in orientalischen Ländern schweige und damit willkürlich in der Durchsetzung von Menschenrechten sei?

 

Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten (S&D), Partei aus Deutschland: SPD

Die S&D Gruppe war die erste Gruppe, die an den Iran herangetreten ist – eine S&D Delegation angeführt vom Vorsitzenden der S&D Gruppe Hannes Swoboda besuchte im Oktober 2013 den Iran. Dies war der erste Besuch von Vertretern des Europäischen Parlaments im Iran nach sechs Jahren. Während des Aufenthaltes hat sich die S&D Delegation mit hochrangigen iranischen Funktionären getroffen, wie dem Sprecher des Parlaments Ali Larijani und dem früheren Präsidenten Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani. Es ist die Auffassung der S&D Fraktion, dass alle Meinungsverschiedenheiten über das Atomprogramm des Iran, die Unterstützung für das Assad Regime und die Situation der Menschenrechte durch einen Dialog und nicht durch Drohungen und militärische Interventionen gelöst werden sollten.

Bezüglich der Türkei unterstützt die S&D Fraktion die Aufnahmeverhandlungen, sie ist aber besorgt über die Rückschritte der Türkei in den demokratischen Reformen, den steigenden Autoritarismus von Premierminister Erdogan, den Angriffen auf die Unabhängigkeit der Justiz und der Meinungsfreiheit.

 

Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), Partei in Deutschland: FDP

Die Förderung der Menschenrechte in der ganzen Welt unabhängig von Nationalitäten war und bleibt eine der obersten Prioritäten der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa. Wir werden die Menschenrechte fördern und die Schwachen schützen, sowohl in der Europäischen Union als auch über unsere Grenzen hinaus.

Dies ist kein Anlass zur Selbstgefälligkeit. Trotz aller gegenwärtig unternommenen Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft leben Millionen Menschen immer noch in Ländern, in denen keine unabhängige Justiz, kein demokratisches System und keine Meinungsfreiheit existiert. Dies ist keine neue Lage. Der unausgereifte Charakter des internationalen Rechtssystems in Verbindung mit der Tatsache, dass es immer noch keine ausreichende Überwachung der Lage der internen Gewalt gibt, zeigen auf, dass die internationale Gemeinschaft viel zu tun hat. Deshalb führen wir den Kampf zur Förderung der Menschenrechte in der ganzen Welt fort.

 

Die Grünen/Europäische freie Allianz (EFA), Partei in Deutschland: Die Grünen

Für uns Grüne ist der Schutz der Menschenrechte ein Kernanliegen in der Politik, das sich wie ein roter Faden durch alle unsere politischen Entscheidungen und Aktionen zieht. In Bezug auf unsere Reaktionen zu Menschenrechtsverletzungen gegen Muslime im östlichen Teil der Welt können wir, unter zahlreichen weiteren Beispielen, auf unseren Entschließungsantrag „Verfolgung der Rohingya Muslime in Burma-Myanmar“ vom April 2012 verweisen. In diesem drücken wir unsere tiefe Besorgnis über die Verfolgung und Diskriminierung der Minderheit der Rohingya Muslime aus. Im Allgemeinen versuchen wir die politischen und sozialen Entwicklungen nicht nur in Europa, sondern auch darüber hinaus zu verfolgen und treten regelmäßig bei Fällen von Menschenrechtsverletzungen in Aktion oder überzeugen das Parlament zu agieren, um die Sensibilisierung der Öffentlichkeit zu steigern und weiterführende Maßnahmen gegen diese zubegünstigen.

 

Europäische Konservative und Reformisten (EKR), Partei in Deutschland: Bisher keine

Entweder sollte man die Konzepte der Menschenrechte für jedes einzelne Land diskutieren oder die Aktionen des Europäischen Parlaments zu diesem Anliegen betrachten. Menschenrechtsverletzungen, besonders auf Grundlage des Glaubens, sind eine gemeinsame Sorge für die ganze EU und sie sind ebenso für uns ein Grund zur Sorge. Bezüglich des speziellen Falles, den Sie anführen, haben wir als Fraktion eine aktive Rolle in einer Vielzahl von Beschlüssen des Europäischen Parlamentes eingenommen, durch die Menschenrechtsverletzungen gegen Muslime außerhalb Europas angegangen werden. Ein Beispiel hierfür ist der Beschluss des Europäischen Parlaments zur Verfolgung der Rohingya Muslime in Burma/Myanmar (2012/2784(RSP)), im Anschluss an die noch laufenden Repressionen gegen die Muslime in Burma.

 

Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL), Partei in Deutschland: Die Linke

Wenn wir mit „Europa“ viele europäische Regierungen meinen, dann haben sie Recht. Es ist wahr, dass diese bei Menschenrechtsverletzungen im Mittleren Osten nur Alarm schlagen, wenn es in ihre geopolitischen Interessen passt. Wir sehen auch weiterhin Aufrufe zur militärischen Aktion, hauptsächlich in Regionen, in denen multinationale Konzerne besondere wirtschaftliche Interessen haben, die im Namen der humanitären Intervention gemacht werden.

Unsere Fraktionen kämpft zusammen mit vielen Zivilbevölkerungs- und Nichtregierungsorganisation dafür, Widersprüche im Diskurs der europäischen Eliten über die Menschenrechte aufzudecken. Menschenrechte sind universell und wir dürfen nicht aussuchen und entscheiden, wessen Rechte wir mehr als die der anderen verteidigen.