In einem ökumenischen Internetprojekt rufen der frühere bayrische Innenminister und Ministerpräsident Günther Beckstein und der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland zu Respekt und Toleranz zwischen den Religionen auf.
Günther Beckstein genießt unter Muslimen nicht gerade einen positiven Ruf. Der frühere CSU-Politiker, der bayrischer Innenminister und Ministerpräsident war und jetzt Vizepräses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, wurde immer wieder wegen seinem Hardliner-Image und wegen seiner Kommentare zum Islam als islamfeindlich bezeichnet und empfunden. Zahlreiche Kritik an Becksteins Äußerungen in vergangenen Tagen zeugen von diesem Image.
Doch die Zeiten scheinen sich zu ändern und auch ein Günther Beckstein scheint um versöhnliche Worte bemüht. Heute ruft Beckstein zusammen mit dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime (ZMD), Aiman Mazyek, beim ökumenischen Internetprojekt „2017 gemeinsam unterwegs“ zu Respekt und Toleranz gegenüber anderen Religionen auf. Angesichts der gesellschaftlichen Pluralisierung und Globalisierung sei „ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Religionen heute unbedingt nötig“, so Beckstein in seinem Beitrag auf der Website.
„Wenn ich meinen eigenen Glauben ernst nehme und für die Wahrheit halte, so muss ich dem anderen zubilligen, dass er seinen Glauben in derselben Weise beachtet und für die Wahrheit hält“, schreibt der EKD-Vizepräses weiter. Von daher sei „ein totaler Wahrheitsanspruch“ aufzugeben. Doch der frühere bayrische Innenminister macht auch seine Sicht deutlich, indem er erklärt, die Voraussetzung für Toleranz sei, dass die staatliche Grundordnung von jeder Religion anerkannt werde. „Die Nagelprobe dafür ist, dass jede Religion den Wechsel zu einer anderen Religion ohne Sanktionen ermöglichen und anerkennen muss.“ Beckstein ist auch Mitglied der Generalsynode und der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD).
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, schreibt: „Islam heißt übersetzt Frieden und Hingabe an Gott und betrachtet die Menschheit als eine Gemeinschaft.“ Daher sollten die Religionen nach gemeinsamen Werten streben. „Die Gemeinsamkeiten von Christentum und Islam überwiegen. Judentum und Christentum sind Teil der Offenbarung des Einen Gottes und werden so auch im Koran beschrieben.“ Zugleich profitiere die Gesellschaft von den Religionen. Sie seien eine „wichtige zivilgesellschaftliche Ressource und Stütze für unser Land und sollten in Zukunft viel mehr auch für die Integration in Anspruch genommen werden“, so Mazyek.
Das Internetprojekt „2017 gemeinsam unterwegs“ basiert auf dem ökumenischen Dialog- Dokument „Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Gemeinsames lutherisch-katholisches Reformationsgedenken im Jahr 2017“, das online gelesen, kommentiert und anhand einer wöchentlich wechselnden Fragestellung diskutiert werden kann.
Die Beiträge von Beckstein und Mazyek beziehen sich auf den Augsburger Religionsfrieden von 1555, wie er in diesem Dokument dargestellt wird. Ziel des Projekts „2017 gemeinsam unterwegs“ ist es, den Dialog-Text in Deutschland bekannt zu machen und eine Diskussionsplattform für Fragen der Ökumene bereitzustellen. Das Projekt wird vom Deutschen Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes (DNK/LWB) und vom Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik in Paderborn getragen. Link: www.2017gemeinsam.de