Der Verfassungsschutz Niedersachsen will nach eigenen Angaben die Beobachtung der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) überdenken. Es lägen kaum noch Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen vor, so Verfassungsschutzpräsidentin Brandenburger.
Am Mittwoch hat der Niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) zusammen mit der Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger vor der Landespressekonferenz den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2013 vorgestellt. Bei der Vorstellung des Berichts erklärte Brandenburger, dass sich bei der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) seit einigen Jahren ein „Reformkurs“ abzeichne, der dafür spreche, dass die „Gesamtorganisation nicht mehr eindeutig dem islamistischen Spektrum zugerechnet werden“ könne.
„Insbesondere haben sich immer stärker regionale Unterschiede herausgebildet. In Niedersachsen sind kaum noch tatsächliche Anhaltspunkte feststellbar, die Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung belegen. Sollte sich dieser Kurs 2014 weiter fortsetzen, ist eine Beobachtung des IGMG-Regionalverbandes Niedersachsen für die Zukunft zu überdenken“, erklärte die niedersächsische Verfassungsschutzpräsidentin.
Bei der IGMG wird diese Ankündigung positiv aufgenommen. IGMG-Generalsekretär Mustafa Yeneroğlu sagte gegenüber IslamiQ: „Es ist erfreulich, dass immer mehr Landesämter für Verfassungsschutz ihre bisherige Praxis auf den Prüfstand stellen. Ohnehin stand die Begründung für die bisherige Beobachtung auf sehr dünnem Eis.“ Viel erfreulicher wäre es laut dem IGMG-Generalsekretär jedoch, wenn der Verfassungsschutz Qualifizierungen wie „legalistisch“ und Termini wie „Islamistisch“ überdenken und ihre Präventionspolitik insbesondere im Kontext von Muslimen entkulturalisieren würde. „Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass die Verwendung solcher Begriffe Muslime im Allgemeinen unter Generalverdacht stellt. Das ist nicht konstruktiv“, so Yeneroğlu.
Bereits im April 2014 hatte der Verfassungsschutz Hamburg angekündigt, dass die IGMG künftig nicht mehr in den Jahresberichten auftauchen soll. Mittlerweile gibt es Erklärungen vom Verfassungsschutz Hamburg, dass die Beobachtung der IGMG in Hamburg gänzlich eingestellt wurde. Es wird erwartet, dass weitere Bundesländer diesem Beispiel folgen und die IGMG langfristig nicht mehr als „legalistisch-islamistische“ Organisation eingestuft wird. Die jahrzehntelange Stigmatisierung der muslimischen Religionsgemeinschaft als „extremistisch“ könnte damit ein Ende haben.
Die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş ist mit 323 Moscheegemeinden (europaweit 522) sowie 1.182 Einrichtungen (2.246) und ca. 68.246 Einzelmitgliedern (120.629) eine der größten islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland. Die Gemeindegröße umfasst ca. 350.000 Personen. Sie ist Mitglied im Islamrat und über diesen bei der Deutschen Islam Konferenz (DIK) vertreten.