Alt-Bundespräsident

Wulff fordert neuen Umgang mit Bürgern ausländischer Herkunft

In einem Gastbeitrag für den Kölner Stadt-Anzeiger fordert der frühere Bundespräsident Christian Wulff einen neuen Umgang mit Bürgern ausländischer Herkunft. Hintergrund ist auch der Nagelbomben-Anschlag in der Kölner Keupstraße vor zehn Jahren.

07
06
2014
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Er prägte den Satz: „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Nun hat sich Alt-Bundespräsident Christian Wulff in einem Gastbeitrag für den Kölner Stadt-Anzeiger (Samstags-Ausgabe) erneut deutlich zu Wort gemeldet und ein stärkeres Engagement für ein neues „Wir“-Gefühl in Deutschland angemahnt.

Als Konsequenz des rechtsextremistischen Nagelbomben-Anschlags in der Kölner Keupstraße vor zehn Jahren, fordert Wulff einen neuen Umgang mit Bürgern ausländischer Herkunft. „Viele meinen, wenn sie ‚wir´ sagen, nur Menschen ohne Migrationshintergrund. So, als würden Menschen mit Migrationshintergrund nicht richtig dazugehören. Doch wir gehören zusammen“, schreibt Wulff.

Verallgemeinerungen wie „die Türken“ oder „die Muslime“ seien unzulässig, so Wulff weiter. „Was wir heute sind, haben wir alle miteinander geschaffen. Aus diesem Miteinander entsteht unser deutsches ,Wir´.“ Die Vielfalt einer offenen Gesellschaft sei der beste Garant für Frieden, Wohlstand und Entwicklungschancen, fügte Wulff hinzu. „Ziehen wir gemeinsam die Lehren aus dem Leid, das der NSU in unser Land getragen hat, und stellen wir sicher, dass unser Deutschland ein vielfältiges, offenes Land ist.“

Wulff: zutiefst beschämt

Der NSU-Terror habe ihn „schockiert und aufgewühlt“, schreibt Wulff. Gleiches gelte für das Versagen der Ermittlungsbehörden bei der Aufklärung. Allerdings habe auch er selbst sich „im Nachhinein ertappt“, dass er in der Frage nach Motiven für die Verbrechen „die Theorie der Kriminalität unter Ausländern leichtfertig durchaus für plausibel gehalten habe“. Nach Gesprächen mit den Angehörigen der Opfer sei er darum „zutiefst beschämt“ gewesen.

Zum zehnten Jahrestag des Anschlags rief Wulff alle Demokraten auf zusammenzustehen. „Wenn das Leben von Mitmenschen in unserer Gesellschaft bedroht wird, wenn Menschen verfolgt und ausgegrenzt werden, gefährdet das unsere Demokratie.“ Sorgen machten ihm nicht nur die Extremisten, „sondern auch bereits diejenigen, die Vorurteile schüren, die verächtlich und pauschal über andere sprechen, die Intoleranz hoffähig machen. Auch das dürfen wir nicht zulassen.“

Einsatz für Integration

Wulff hatte sich während seiner Amtszeit als Bundespräsident 2010 bis 2012 besonders für die Integration starkgemacht. Wegen seines Einsatzes genießt das frühere Staatsoberhaupt unter Migranten und deren Vertretern bis heute hohes persönliches Ansehen. Nachdem die Verantwortung der rechtsextremen Terrorzelle NSU für eine vor allem gegen Türken und Griechen gerichtete Mordserie bekannt geworden war, darunter auch der Bombenanschlag vom 9. Juni 2004 im stark türkisch geprägten Kölner Stadtteil Mülheim, traf sich Wulff mit Opfern und Hinterbliebenen und initiierte ein nationales Gedenken.

Zehn Jahre nach dem Anschlag in der Keupstraße in Köln-Mülheim werden dort über das Pfingstwochende bis zu 100.000 Besucher zu einem Kunst- und Kulturfest erwartet. Unter dem Motto „Birlikte“ (Türkisch: Zusammenstehen) soll es an die Opfer der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU erinnern und ein Zeichen der Solidarität von Bürgern mit und ohne Migrationshintergrund setzen.