Der EKD-Vorsitzende Schneider und KRM-Sprecher Kızılkaya warnten, bei einem Spitzengespräch in Köln, vor einem erstarken rechtspopulistischer Parteien in Europa. Der Dialog zwischen beiden Seiten wird weiter fortgeführt. Ein Bericht von Christoph Arens.
Es war ein Gipfeltreffen, das bewusst auf einer Baustelle stattfand. Zu ihrem dritten Spitzengespräch trafen sich die Repräsentanten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und des Koordinationsrats der Muslime (KRM) am Montag (17.06.2014) in der noch nicht fertiggestellten Moschee der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) im Kölner Stadtteil Ehrenfeld.
Nicht nur für den EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider ein symbolischer Ort: Köln mit seinen Bürgern aus über 180 verschiedenen Nationen gilt als weltoffene Metropole. Und zugleich fand vor zehn Jahren im benachbarten Stadtteil Mülheim der sogenannte Nagelbombenanschlag statt, verübt mutmaßlich von Rechtsterroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds, kurz NSU.
„Wir dürfen solche Orte nicht der Deutungshoheit der Rechtsterroristen überlassen“, sagte Schneider. Genau deshalb habe man das Spitzentreffen in der Baustelle der Moschee abgehalten. Schneider und KRM-Sprecher Ali Kızılkaya warnten in diesem Zusammenhang vor dem Erstarken rechtspopulistischer und nationalistischer Parteien in Europa. Die Ergebnisse der Europawahl müssten vor diesem Hintergrund sehr ernst genommen werden.
Ein zentrales Gesprächsthema des Treffens war die Fertigstellung eines „Dialogratgebers“, mit dem KRM und EKD das Zusammenleben von Christen und Muslimen in Deutschland erleichtern wollen. Insbesondere im Alltag vor Ort, in Kindergärten, Stadtvierteln und religiösen Gemeinden könnten die Grundlagen für ein harmonisches Zusammenleben und den Abbau von Vorurteilen geschaffen werden, sagte Kızılkaya, der die Veröffentlichung des Ratgebers für Herbst ankündigte.
Schneider forderte eine Begegnung auf Augenhöhe. Muslime in Deutschland müssten als „Deutsche muslimischen Glaubens und nicht als Lobbyisten des Islam aus der Türkei, Marokko oder Algerien“ wahrgenommen werden. Der Ratsvorsitzende wies darauf hin, dass die Kirchen sich auch für einen islamischen Religionsunterricht (in deutscher Sprache) und eine islamische Theologie an deutschen Hochschulen eingesetzt hätten.
Ziel des Dialogratgebers sei es auch, Konflikte zwischen beiden Religionsgemeinschaften offen ansprechen zu können – und zwar „ohne gegenseitige Vorwürfe und mit Toleranz und Sensibilität“, sagte Schneider. Das war auch zwischen den beiden Institutionen nicht immer so.
Schließlich herrschte im Dialog zwischen den höchsten Ebenen von Islam und Protestantismus in Deutschland mehrere Jahre lang fast Funkstille – teils, weil der mehrfache Wechsel im Amt des Ratsvorsitzenden kein früheres Spitzengespräch zuließ, teils, weil die Nachwirkungen des EKD-Textes „Klarheit und gute Nachbarschaft“ aus dem Jahr 2006 noch immer spürbar waren. Vor allem die Formulierung „Dialog und Mission schließen sich nicht aus“ sorgte damals bei den muslimischen Verbänden für Verärgerung. Zurückgenommen wurde er nicht.
Für Entspannung sorgte dann Schneider, der die Spitzenvertreter des KRM im Jahr 2012 zu sich nach Hause zum Abendessen einlud. Seine Gattin Anne stand am Herd. „Es war eine große Geste, dass uns der Präses zu sich nach Hause eingeladen und seine Frau für uns gekocht hat“, sagte anschließend Bekir Alboğa, Sprecher und Dialogbeauftragter der DITIB.
Inzwischen haben die Gesprächspartner den Graben nach eigenen Worten überbrückt. „Wir sind auf einem guten Weg und bauen unsere Kontakte aus“, sagte Kızılkaya. Und Schneider bestätigte: „Die Konflikte und Irritationen sind beigelegt. Das Vertrauen ist gewachsen.“ (KNA)