Zu antisemitischen Ausfällen auf pro-palästinensischen Demonstrationen hat sich auch der Historiker Wolfgang Benz geäußert. Er sieht keine „neue Qualität“ beim Antisemitismus in Deutschland. Was jedoch zunehme sei, dass die Stimmung gegenüber Israel immer schlechter werde.
Der Historiker und Antisemitismusforscher Wolfgang Benz sieht angesichts der jüngsten Demonstrationen gegen das israelische Vorgehen im Gazastreifen keinen wachsenden Antisemitismus in Deutschland.
„Ich sehe überhaupt keine neue Qualität“, sagte er in einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger (Mittwoch-Ausgabe). „Nach meiner Information hat es antiisraelische Demonstrationen gegeben. Und in Berlin wurden am Rande einer antiisraelischen Demonstration antisemitische Parolen gerufen.“ Deshalb von antisemitischen Ausschreitungen in Deutschland zu sprechen, „halte ich für übertrieben“, sagte der Antisemitismus-Experte. Der 73-jährige war bis 2011 Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung.
„Seltsame Leute“ hätten „blödsinnige Parolen“ gerufen, erklärte Benz. „Das wird von Interessenten mit großem Medienhall als Wiederaufflammen des Antisemitismus dargestellt, als sei es so schlimm wie nie zu vor.“ Benz fügte hinzu: „Natürlich gibt es in Deutschland Antisemitismus. Das ist beklagenswert. Aber es ist ein konstanter Bodensatz in der Gesellschaft und keineswegs eine Lawine, die größer und größer wird.“
Zu beobachten sei hingegen, dass „die Stimmung gegenüber dem Staate Israel immer schlechter“ werde, was wiederum seine Gründe habe. „Das ist kein Antisemitismus. Das wird aber von Aktivisten auf diesem Gebiet sehr gerne so dargestellt.“ Auch die israelische Regierung habe ein Interesse daran, „dass jede Kritik an ihren Handlungen als Antisemitismus verstanden wird. Aber nicht jeder, der den Gaza-Krieg missbilligt und Mitleid mit getöteten oder verletzten palästinensischen Zivilisten hat, ist deshalb ein Antisemit.“
Der Zentralrat der Juden hatte in einem öffentlichen Aufruf angeprangert, dass auf verschiedenen pro-palästinensischen Demonstrationen in Deutschland antisemitische Parolen gerufen worden seien. Ein Sturm der Entrüstung geht seitdem durch die Zivilgesellschaft. Heute gaben die Bundesregierung und der Bundespräsident jeweils eine Erklärung ab, in der Antisemitismus verurteilt und Israel volle Solidarität zugesichert wurde.