„Bedroht dieser Islam auch uns?“, fragte Sandra Maischberger ihre Gäste und bekam mehrere Antworten, die zu keinem Ergebnis führten. Über eine Stunde redeten die Studiogäste aneinander vorbei.
Sandra Maischberger hat in ihrer langjährigen Karriere sicherlich einfachere Sendungen moderiert. Das Thema der ersten Sendung nach der Sommerpause hatte es aber auch in sich. Da ist es fast vorprogrammiert, dass die Gäste durcheinanderreden und die zentrale Frage der Sendung nicht beantwortet wird. Trotzdem lohnt es sich immer wieder über den Islam zu diskutieren, um dann festzustellen, dass der Islam an vielem schuld sei. Das zeigt sich auch in den Einschaltquoten. Die gestrige Sendung gesehen haben immerhin 1,43 Millionen Menschen. ((http://www.daserste.de/programm/quotendetail.asp))
Seit Wochen zeigen Nachrichten und Dokumentationen die brutale Gewalt der ISIS. Den Höhepunkt der Aufmerksamkeit erreichte die Gruppe durch das Video der Hinrichtung des amerikanischen Journalisten James Foley. Im Video spricht der Henker akzentfreies britisches Englisch. Viele ISIS-Kämpfer sind aus Europa, auch haben sich Dutzende Deutsche der ISIS angeschlossen. Dadurch liegt die Frage nahe, ob diese Menschen eine Gefahr für Deutschland darstellen.
Alice Schwarzers persönlicher Auftritt
Maischberger redete mit ihren Gästen am Dienstag Abend über genau diese vermeintliche Gefahr. Sie versuchte es zumindest. Unter dem Titel „Angst vor Gotteskriegern: Bedroht dieser Islam auch uns?“ lud die Redaktion von „Menschen bei Maischberger“ den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, die Journalisten Oliver Jeges, Khola Meryam Hübsch und den „Spiegel“-Korrespondenten Christoph Reuter ein.
Ein besonderer Gast war die „Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer, die am Anfang der Sendung als eine Islamkritikerin vorgestellt wird, die seit ihrer Reise in den Iran im Jahr 1979 gegen den Islamismus kämpfe. In den ersten Minuten der Sendung meint man allerdings, dass Alice Schwarzer aus einem ganz anderen Grund im Studio sitzt. Immerhin darf sie 15 Minuten lang Fragen zu ihrer bekannt gewordenen Steuerhinterziehung beantworten. Peinlich berührt, aber sichtlich gut vorbereitet verteidigt sie den Skandal. Sie habe in der Schweiz ein Konto eingerichtet und es „einfach treiben lassen“. Mit einem Vergleich mit Uli Hoeneß ist sie allerdings nicht einverstanden: „Der spielt in einer ganz anderen Liga.“
ISIS als Gefahr für Muslime
Schließlich beginnt die Diskussion nach der themenfremden Einleitung. „Spiegel“-Korrespondent Christoph Reuter ist entsetzt, die ISIS nutze alles, was die Moderne biete und plane ihre Eroberung der Territorien schrittweise. Dagegen sei die Al-Qaida „eine Jugendgang“.
Die Gefahr, die von der ISIS ausgehe, betreffe auch die Muslime merkte Aiman Mazyek an: „Bisher sind vor allem Muslime abgeschlachtet worden. Es ist nicht nur eine Beleidigung für unsere Religion, sondern auch eine Gefahr.“ Dass die ISIS-Kämpfer ein falsches Verständnis vom Dschihad haben und dass ihre Ideologie nichts mit dem Islam zu tun hat, ist für Mazyek eindeutig.
Für den Journalisten Oliver Jeges gilt dieses Argument nicht. Er glaube nicht, dass die Gewalt im Irak nichts mit dem Islam zutun habe und behauptet, dass der Koran die Legitimität für die Gewalt gebe. Journalistin Khola Maryam Hübsch kann verstehen, dass man mit dem Islam häufig Negatives verbinde, sie verdeutlicht aber auch, dass es eine andere „Leseart des Korans gibt“. Währenddessen wiederholt Alice Schwarzer in ihrer Euphorie mehrfach, dass Muslime sich stärker von der Gewalt im Namen des Islams distanzieren müssen.
Die Diskussion entwickelt sich zu einem Gespräch, in dem wenig zugehört und viel durcheinandergeredet wird. Weder wird deutlich, warum die ISIS ein Thema in Deutschland sein muss, noch ergibt sich aus dem Wortwirrwarr eine Erkenntnis oder Einsicht. In der Sendung wird vielmehr über den Islam an sich gesprochen, als über die ISIS-Kämpfer und ihre Denkweisen. Während Oliver Jeger dafür plädierte, dass die Muslime gegen den Islamismus auf die Straße gehen sollten, sieht Mazyek die Brandanschläge auf die Moscheen als ein Warnzeichen.
Im öffentlichen Diskurs werde der Anschein erweckt, der „fundamentalistische Islam sei der Islam schlechthin“. Immer wieder wird deutlich, wie überfordert Maischberger mit ihren Gästen ist. Zwischen Forderungen, Schuldzuweisungen und dem Redebedürfnis der Gäste, kochen die Emotionen so hoch, dass zeitweise drei Stimmen zur gleichen Zeit durch das Studio ertönen und die Moderatorin mit ihren Händen herumrudert.
„Sie verharmlosen“
Für emotionale Momente sorgt der Auftritt von Beatrix Reinders, die ihren zum Islam konvertierten Sohn als Talibankämpfer in Pakistan verloren hat. Die Schuld für die radikale Entwicklung ihres Sohnes schreibt sie nicht dem Islam zu, sondern Hasspredigern. Von den Sicherheitsbehörden erwartet Reinders, dass sie Eltern rechtzeitig informieren sollten, wenn extremistische Tendenzen bei Jugendlichen festgestellt werden. Hübsch stellt resigniert fest, dass die Verbände zu wenig tun, um junge Muslime aus diesen Milieus herauszuziehen. Muslimische Gemeinden seien vor allem mit Rückkehrern überfordert, weil Unsicherheit herrsche, sagte hingegen Mazyek.
Alice Schwarzer ist mit dieser Aussage nicht zufrieden. Sie unterstellt Aiman Mazyek, er verharmlose die Situation. Unfreiwillig erinnert man sich in diesem Moment an ihre Rechtfertigung bezüglich Steuerhinterziehung. Die sichtlich überforderte Moderatorin beendet schließlich die Gesprächsrunde. Fragen nach geopolitische Interessen und politische Ursachen des ISIS-Terrors wurden nicht angesprochen. Nach einer Stunde und 16 Minuten sind sich die Gäste immer noch nicht einig, Maischberger kann aber aufatmen.