Sämtliche Vertreter der vom Bund geförderten Zentren für Islamische Theologie haben sich in einer Stellungnahme ausdrücklich vom Terror des „Islamischen Staates“ (IS) distanziert. Gleichzeitig machten die Wissenschaftler auf Probleme im Umgang mit dem Phänomen aufmerksam. Die Deutungshoheit über den Islam dürfe nicht den Extremisten und Gewalttätern überlassen werden.
Vertreter der islamisch-theologischen Studien in Deutschland haben in einer Stellungnahme ihre tiefe Bestürzung über die aktuellen Ereignisse im Nahen Osten und über den Terror des „Islamischen Staates“ (IS) zum Ausdruck gebracht. „Die ungeheuerliche Gewalt, die von den Anhängern des IS ausgeht, negiert alle Regeln der Menschlichkeit und zivilisatorischen Normen, für deren Herausbildung auch der Islam eine wichtige Rolle gespielt hat und an denen er teilhat“ , heißt es in einer am Samstag (30.08.2014) in Frankfurt veröffentlichten Stellungnahme. „Solche Deutungen des Islam, die ihn zu einer archaischen Ideologie des Hasses und der Gewalt pervertieren, lehnen wir strikt ab und verurteilen diese aufs Schärfste.“
Man sei sich als Vertreter der islamisch-theologischen Fächer der Notwendigkeit und Verantwortung bewusst, sich den falschen Deutungen extremistischer Gruppen wie der IS entgegenzustellen. Die Deutungshoheit über den Islam dürfe nicht den Extremisten und Gewalttätern überlassen werden und müsse aus der Mitte der Gesellschaft heraus – unter anderem an den Universitäten – erfolgen. „Wir setzen uns, nicht zuletzt in unserer universitären Arbeit, für einen Islam ein, aus dem sich Humanität, Gewaltfreiheit, Wertschätzung der Pluralität und Respekt für Menschen ungeachtet ihrer Zugehörigkeiten schöpfen lassen“, erklärten die Wissenschaftler.
Islam anerkennen und islamfeindliche Übergriffe ernst nehmen
Die aktuellen Konflikte im Nahen Osten und auch in anderen Teilen der Welt zeigten, wie rasant sich unter „desolaten soziopolitischen Umständen“ ein gewaltzentriertes Religionsverständnis herausbilden könne. In den Europäischen Staaten sehe man demgegenüber die Chance, an das reiche Erbe der geistesgeschichtlichen und religiösen Tradition des Islam anzuknüpfen und sich in der Begegnung mit anderen, auch kritischen Perspektiven, zu öffnen.
„So sollen Studierende befähigt werden, eigene religiöse Ressourcen als Mittel zur Gestaltung eines produktiven Miteinanders zu begreifen und sich gestalterisch in die Zukunft der deutschen Gesellschaft einzubringen. Hierzu gehört auch die Anerkennung der Muslime als Teil Deutschlands und das Ernstnehmen vergangener und jüngster islamfeindlicher Übergriffe als Hindernisse auf diesem Weg“, erklärten die Wissenschaftler.
Reflektierte Auseinandersetzung nötig
Nur durch eine reflektierte Auseinandersetzung mit der islamischen Lehre und Praxis unter freiheitlichen Bedingungen lasse sich die islamische Wissens- und Normenproduktion von krisenhaften Verhältnissen und Kontexten der politischen Repressionen entkoppeln. „Und nur so können produktive Antworten des Islam auf die Herausforderungen des globalen Zusammenlebens gefunden werden. Hierfür ist die freie akademische Wissensproduktion an deutschen Universitäten eine wichtige Voraussetzung.“
Erstunterzeichner der Erklärung, die auch im Rahmen einer Theologie-Fachtagung an der Goethe-Universität am Montag in einer Pressekonferenz vorgestellt werden soll, sind die Vertreter der vom Bund geförderten sogenannten Zentren für Islamische Theologie an Deutschen Universitäten: Prof. Dr. Bekim Agai, geschäftsführender Direktor am Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam, Goethe-Universität Frankfurt a.M, Prof. Dr. Maha El-Kaisy Friemuth, geschäftsführende Direktorin am Department Islamisch-Religiöse Studien, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Prof. Dr. Mouhanad Khorchide, geschäftsführender Direktor am Zentrum für Islamische Theologie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Prof. Dr. Yasar Sarikaya, Professur für Islamische Theologie und ihre Didaktik, Justus-Liebig-Universität Gießen, Prof. Dr. Erdal Toprakyaran, geschäftsführender Direktor am Zentrum für Islamische Theologie, Eberhard Karls Universität Tübingen und Prof. Dr. Bülent Ucar, geschäftsführender Direktor am Institut für Islamische Theologie, Universität Osnabrück.
Daneben wurde die Erklärung auf der Homepage der Universität Frankfurt auch von zahlreichen Unterstützern mit unterzeichnet. Darunter auch von Univ.-Prof. Mag. Dr. Zekirija Sejdini, Leiter des Bereichs islamische Religionspädagogik des Institutes für Fachdidaktik, Universität Innsbruck, Dr. Armina Omerika, Wiss. Mitarbeiterin, Institut für Studien der Religion und Kultur des Islam, Goethe-Universität Frankfurt sowie Prof. Dr. phil. et med. habil. Dr. (TR) Ilhan Ilkilic, Gastprofessor, Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam und Mitglied im Deutschen Ethikrat.