Ist Verschweigen der richtige Umgang mit einem möglicherweise politisch-motivierten Anschlag? So jedenfalls scheinen es Ermittler zu sehen. Immer wieder wird Muslimen geraten, die Opfer einer islamfeindlichen Straftat wurden, zu schweigen. Doch die Strategie scheint nicht aufzugehen.
Hans Zimmerlein* staunte nicht schlecht. In der Post war ein Paket, in der ein komplett zerfetzter Koran zu finden war. Zimmerlein alarmierte die Polizei, da in dem Paket auch ein Drohbrief vorhanden war. Die Muslime „sollten lieber das Land verlassen“, sonst passiere noch etwas Schlimmes. Und noch die Drohung hinterher: „Beim nächsten Mal schicken wir euch die zerrissenen Koranseiten in Schweineblut getränkt zu.“
Die Polizei hat die Anzeige von Zimmerlein, der Vorsitzender einer muslimischen Gemeinschaft ist, aufgenommen. Beweise wurden gesichert und an die zuständige Staatsanwaltschaft geschickt. „Gehen Sie damit lieber nicht an die Öffentlichkeit“, hatte mal ein Beamter des Staatsschutzes Zimmerlein vor ein paar Jahren in einem ähnlichen Vorfall geraten. „Am Ende fühlen sich die Täter bestärkt und glauben einen Sieg davon getragen zu haben.“ Zimmerlein erinnerte sich an diese Worte und ließ es daher auch auf sich beruhen.
Ein paar Wochen später kam Post von der zuständigen Staatsanwaltschaft. Sie sah in der Angelegenheit keinen Grund zur weiteren Verfolgung. Das Verfahren wurde eingestellt.
Immer wieder Rat zum Schweigen
Zimmerlein ist nicht der einzige muslimische Vertreter, dem angeraten wurde, nach einem solchen Vorfall zu schweigen. Die Behörden geben dafür oft auch plausible Gründe an. So wurde in Mölln nach einem Fäkalien-Anschlag auf die muslimische Gemeinschaft der Fall zuerst verheimlicht. Erst zwei Wochen später kam der Fall an die Öffentlichkeit. Die Begründung: Man wollte verhindern, dass es zu Nachahmern kommt. Tatsächlich sehen Ermittler in solchen Fällen die Möglichkeit von Trittbrettfahrern steigen.
Auch in Oldenburg, wo eine Moschee Opfer eines Molotow-Anschlags geworden ist, ist die Polizei mit dem Fall nicht an die Öffentlichkeit gegangen. Auf Anfrage von IslamiQ wurde bestätigt, dass man den Fall nicht öffentlich machen wollte. Es kam dennoch heraus. Und auch die Polizei bejahte im Gespräch, dass eine öffentliche Fahndung nach Tätern durchaus sinnvoll sein könne. Dennoch wird auf Schweigen gesetzt.
Dunkelziffer von Fällen
Das dies funktionieren kann, zeigt ein Fall aus Berlin. Die Polizei bat eine muslimische Gemeinde darum, den Fall eines versuchten Brandanschlags auf die Moschee geheim zu halten. Die Moschee hielt sich entsprechend bedeckt. Eine Woche später wurde der Täter – ein Serienbrandstifter – auf frischer Tat ertappt, wie er zum zweiten Mal versuchte, das Gebäude in Brand zu stecken.
Allerdings geht diese Taktik meistens jedoch nicht auf. Die Statistiken der Bundesregierung, die sich auf die erfassten PMK-Straftaten beziehen, die gegenüber Moscheen verübt wurden, zeigen: In den meisten Fällen können keine Täter ermittelt werden. Ebenfalls werden die meisten Verfahren gegen Verdächtige wieder eingestellt. Die Aufklärung scheitert, auch weil oftmals eben dazu angeraten wird, die Vorfälle nicht öffentlich zu machen. Viele Fälle von Anschlägen auf Moscheen werden verheimlicht. In den Statistiken taucht zudem die Dunkelziffer von Fällen nicht auf, die aus verschiedenen Gründen nicht als „politisch motiviert“ bewertet werden.
Druck auf Behörden fehlt
Zimmerlein selbst sieht in der Sache ein großes Problem. „Wieso sollten die Behörden ohne Druck der Öffentlichkeit groß daran interessiert sein, die Täter zu fassen?“, fragt er. Seiner Meinung nach ist man in doppelter Hinsicht Opfer. Erst soll man Schweigen, weil man angegriffen wurde, dann tun die Behörden nicht genug, um die Täter zu ermitteln.
Er jedenfalls will beim nächsten Vorfall an die Öffentlichkeit gehen – auch weil er sich mehr Solidarität erhofft und so auch auf das Problem aufmerksam machen kann. Islamfeindlichkeit wird seiner Meinung nach noch immer verharmlost. „Hätte Jemand einer jüdischen Gemeinde eine zerrissene Thora und die Drohung, diese in Schweineblut zu ertränken geschickt, wäre zu Recht ein Sturm der Entrüstung durch die gesamte Bevölkerung gegangen. Bei Muslimen scheint sich dafür nicht einmal die Staatsanwaltschaft zu interessieren“, sagt Zimmerlein. (as)
*Name geändert