Kundgebung gegen Antisemitismus

Merkel: Jüdisches Leben gehört unmissverständlich zu Deutschland

An einer Großkundgebung gegen Antisemitismus und Rassismus vor dem Brandenburger Tor nahmen mehr als 4.000 Personen teil. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie Vertreter der Kirchen erteilten dem Antisemitismus eine klare Absage. Muslime waren in die Veranstaltung nicht eingebunden.

14
09
2014

Mehrere Tausend Menschen haben am Sonntag in Berlin vor dem Brandenburger Tor an einer Großkundgebung gegen Antisemitismus teilgenommen. Aufgerufen hatte dazu der Zentralrat der Juden in Deutschland. Schätzungen zufolge nahmen mehr als 4.000 Personen an der Kundgebung teil, darunter auch Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Neben dutzenden Vertretern aus Politik und Gesellschaft nahmen auch Vertreter der Kirchen an der Kundgebung teil. Sie erteilten zudem in verschiedenen Ansprachen dem Antisemitismus eine deutliche Absage. Muslimische Vertreter suchte man unter den Rednern jedoch vergebens.

Merkel: Angriffe auf jüdische Einrichtungen und Moscheen nehmen wir nicht hin

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte in ihrer Ansprache jede Form von Antisemitismus scharf. Jüdisches Leben gehöre „unmissverständlich zu Deutschland“. Es sei Teil der deutschen Kultur, und jedwede Form von Diskriminierung und Ausgrenzung von Juden werde nicht akzeptiert, sagte Merkel. „Wer diskriminiert und ausgrenzt, hat mich und uns alle, hat die große Mehrheit der Menschen in Deutschland gegen sich“, betonte sie. Ein Angriff auf jüdisches Leben sei ein Angriff auf jeden Einzelnen. „Jüdische Freunde, Nachbarn, Kollegen, sie sind in Deutschland Zuhause.“

Mit der Teilanahme an der Kundgebung setze man ein Zeichen für Respekt. „Respekt vor dem Glauben und der Kultur des jeweils anderen, sei er Jude, Muslim oder Christ – ein Zeichen für ein friedliches und gedeihliches Miteinander in unserem Land“, sagte Merkel. Der Kampf gegen Antisemitismus sei zudem „staatliche und bürgerschaftliche“ Pflicht. „Deshalb nehmen unsere Sicherheitsbehörden jeden Übergriff auf Juden und jüdische Einrichtungen sehr ernst. Ich sage: Das muss auch so sein – in jedem einzelnen Falle. Antisemitische Straftaten werden konsequent mit allen rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt.“ Dies gelte im Übrigen auch für Angriffe auf Moscheen. „Auch sie nehmen wir nicht hin, auch sie werden konsequent verfolgt.“

Graumann: Hätte mir mehr Empathie gewünscht

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, zeigte sich erfreut über die große Beteiligung. Zugleich sei es traurig, so Graumann, dass eine solche Kundgebung überhaupt nötig und erst durch das Engagement der jüdischen Gemeinde möglich geworden sei. „Ein Stück mehr Gefühl, mehr Empathie hätte ich mir schon gewünscht in der Gesellschaft in diesen Wochen.“ Antijüdische Hetze bei Demonstrationen gegen Israels Politik habe Juden in Deutschland sehr beunruhigt. Graumann betonte zugleich die jüdische Unterstützung für den Staat Israel. „Wenn es um Israel geht, da sind wir Juden einfach nicht neutral. Unsere Neutralität endet immer spätestens dort, wo die Sicherheit von Israel beginnt.“

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, betonte die Gemeinschaft von Christen und Juden im Kampf gegen Antisemitismus. „Sie sind nicht alleine, wir stehen an ihrer Seite“, sagte Marx. Schulter an Schulter müsse auch der Alltagsantisemitismus bekämpft werden. „Der Hass der Wenigen wird mächtig durch das Schweigen der Vielen“, so Marx. Christen, Juden und Muslime müssten sich gemeinsam gegen solche Angriffe zur Wehr setzen.

Muslime nicht eingebunden

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, warnte davor, offenen und latenten Judenhass zu unterschätzen. Noch immer müssten jüdische Einrichtungen von der Polizei geschützt werden. Das sei beschämend, so Schneider. Solidarität mit Juden und ein Einstehen für das Existenzrecht des Staates Israel seien kein Hindernis, Kritik an politischen Entscheidungen und Entwicklungen Israels zu äußern.

Unter den Rednern gab es keine muslimischen Vertreter. Dies wurde von einigen Personen auch stark vermisst. Grünen-Chef Cem Özdemir sprach auf dem sozialen Netzwerk Twitter von einer „bewegenden Veranstaltung“. Es sei jedoch schade, dass Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) nicht reden konnte. Er sei ja da gewesen.

Tatsächlich war nach Informationen von IslamiQ kein Vertreter einer muslimischen Gemeinschaft als Redner auf der Veranstaltung vorgesehen. Einige muslimische Organisationen beklagten zudem hinter vorgehaltener Hand, dass sie erst gar nicht zur Kundgebung eingeladen wurden. Dabei hätten auch sie gerne ein Zeichen gegen Antisemitismus und Rassismus gesetzt. Das Verhältnis zwischen muslimischen Organisationen und Vertretern sowie dem Zentralrat der Juden gilt als beschädigt.

Hintergrund ist vermutlich auch die öffentliche Kritik des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden an den muslimischen Religionsgemeinschaften. Graumann hatte in diversen Interivews den Muslimen vorgeworfen, sie würden nicht genug gegen Antisemitismus tun. Er hatte zudem beklagt, muslimische Vertreter würden sich nicht bei ihm melden. (KNA/iQ/as)

Leserkommentare

miswakmunich@gmx.de sagt:
Und im Fernsehen sagten sie Muslime nahmen an der Kundgebung "bedauerlicherweise" nicht Teil. Die Presse...... Spalter und Hetzer!
20.09.14
8:03
Christopher sagt:
...wenn die muslimischen Verbände nicht eingeladen waren, sich aktiv zu beteiligen, dann ist das tatsächlich empörend! Man sollte aber auch nicht vergessen - und da würde ich mir auch von den muslimischen Verbänden, oder zumindest von den renommierten deutschsprachigen muslimischen Magazinen - ein bisschen mehr Ausgewogenheit in der Darstellung wünschen - dass der aufkeimende "Judenhass" vielerorts eigentlich ein Hass auf den Staat Israel wegen des Nahostkonfliktes ist, der naheliegenderweise (z.B. wegen familiärer Bande) besonders von Muslimen gehegt wird. Ich will damit nicht sagen, dass das ein Grund sein soll, muslimische Verbände von solchen Kundgebungen auszuschließen - ganz und gar nicht! - aber es wäre erfrischend, zur Abwechslung auch einmal ein selbstkritisches Statement in dieser Sache zu hören. Eine solche kritische Auseinandersetzung (und nicht ein dumpfes beleidigtes Gebaren, wie es dieser Artikel hier zur Schau stellt) würde zudem den eigenen Standpunkt stärken, wenn es um berechtigte gesellschaftliche Anliegen der Muslime in Deutschland geht.
20.09.14
12:52