Österreich

Kurz will einheitliche Koranübersetzung in Islamgesetz

Mit einer Forderung nach einer einheitlichen Koranübersetzung eckt der österreichische Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) erneut an. Scharfe Kritik an der Idee kommt von den Grünen. Das Kultusministerium hat die Pläne mit einer Erklärung bereits beerdigt.

22
09
2014

Der österreichische Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) eckt mit einer neuen Idee an. Kurz schlug im Gespräch mit dem Mittagsjournal des Ö1 am Samstag (20.09.2014) vor, im geplanten neuen Islamgesetz, eine einheitliche deutsche Koranübersetzung als Ziel aufzunehmen. Damit könne laut Kurz „teilweisen Fehlinterpretationen“ des Koran, die Extremismus fördern könnten, entgegen gewirkt werden. Zuständig für die Übersetzung solle laut Kurz die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) sein.

Es gibt laut Kurz „unzählige Übersetzungen, unzählige Interpretationen“ des Koran. Die Mehrheitsbevölkerung habe es verdient zu wissen, was der Glaubensinhalt des Islam sei. Andererseits sei eine einheitliche Übersetzung auch im Interesse der Glaubensgemeinschaft, damit nicht „viele Worte falsch interpretiert und wiedergegeben“ würden.

Scharfe Kritik von den Grünen

„Zur Verhinderung von Radikalisierung in Gewalt und Terror brauchen wir ernsthafte Maßnahmen wie etwa eine endlich zu schaffende niederschwellige Anlaufstelle für Angehörige statt der heute zur Schau getragenen Hilfslosigkeit von Integrationsminister Kurz“, sagte die Grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun in Reaktion auf Kurz im ORF-Journal.

Die Überlegung von Kurz, den ganzen Koran in ein Religionsgesetz aufzunehmen, könne nur als „skurril“ kategorisiert werden. „Dass Hetzer nämlich zuerst in einem Gesetz nachschauen, bevor sie ihre menschenverachtende Propaganda starten, ist grenzenlos naiv“, meint die Grüne.

IGGiÖ will über Vorschlag beraten

Die IGGiÖ reagierte in einer ersten Stellungnahme auf den Vorstoß mit Skepsis und Zurückhaltung. Eine allgemeingültige Übersetzung sei allein aufgrund der Bedeutungsebene von Wörtern im arabischen kaum zu realisieren. Hinzu komme die vielfache und verschiedene Exegese der einzelnen Verse bis Worte. Es sei wichtig den Kontext einzubeziehen, erklärte eine Sprecherin. Man wolle aber über das Thema sprechen – sowohl intern als auch mit Kurz. Die IGGiÖ steht in einem engen Kontakt mit Kurz und gilt als verlässlicher Partner im Kampf gegen Radikalisierung.

Ob ein Gespräch überhaupt noch nötig sein wird, ist allerdings unklar. Eine Absage an die Pläne von Kurz kam am Montag laut übereinstimmenden österreichischen Medienberichten aus dem Kultusministerium. Aus dem Büro des zuständigen Ministers Josef Ostermeyer (SPÖ) heißt es, es sei nicht möglich eine einheitliche Übersetzung anzufertigen, weil es zu viele verschiedene Strömungen des Islam gebe. Wichtiger sei es ohnehin im geplanten Islamgesetz die Glaubensinhalte des Islam darzustellen. Dies sei im ersten Entwurf bereits realisiert.

Leserkommentare

Ute Diei-Dost sagt:
Übersetzungen bleiben Übersetzungen und kommen nicht an das Original heran,deshalb die Vielfalt.Im Licht neuester wissenschaftlicher. Erkenntnisse mueesn für die dementsprechende Wortwahl getroffen werden,die im Original impliziert ist und die uns jetzt erst deutlich werden.Bei einer Ü bertsetzung müssman sich so eng wie möglich an den Text halten und nicht seine eigenen Gedanken oder Auslegungen implizieren,das ist die beste Übersetzung.
22.09.14
18:14
Ali sagt:
Selbstverständlich kann man persönlich eine Übersetzung (oder mehrere) als Standard für sich selbst festlegen, um gerade wegen der Bedeutungsvielfalt eine Arbeitsgrundlage zu haben. Das können auch Einrichtungen oder gar Staaten so machen. Jedoch dürfen damit andere Übersetzungen (und damit unverzichtbare Meinungen) nicht ausgeschlossen und die zum Standard gemachte Version nicht absolut gesetzt werden. Das wäre nur allzu modern-salafistisch. Gerade darum scheint es dem Integrationsminister aber zu gehen. Abgesehen davon, dass er seine Idee unglücklich formuliert hat, kann sich niemand anmaßen, "die wahre Bedeutung" des einen oder anderen Verses zu kennen. Die islamische Gelehrsamkeit hat dies jedenfalls nicht getan; für sie waren alle möglichen Bedeutung eines Verses "richtig", manchmal sogar zur gleichen Zeit am gleichen Ort, je nach Kontext. Die IGGiO wäre gut beraten, sich dem durch und durch modernen Vereinheitlichungswahn zu widersetzen. Ganz sicher gibt es viel wichtigere Aufgaben für einen Integrationsminister als die Erstellung einer einheitlichen Koranübersetzung.
23.09.14
11:35