Der Deutsche Juristentag hat sich mit dem Thema der strafrechtlichen Paralleljustiz beschäftigt. Mit deutlicher Mehrheit wurde diese von den Juristen abgelehnt. Dennoch bleiben offene Fragen.
Auf dem 70. Deutschen Juristentag in Hannover (16. – 19. September 2014) war eines der beherrschenden Themen der Tagung die sogenannte Paralleljustiz. Auch mit Blick auf das kürzlich von Medien stark hochgepushte Thema der „Scharia-Polizei“ diskutierten die Juristen auf der Tagung ausführlich und teilweise öffentlich in der Sache.
Rechtsanwalt Michael Rosenthal aus Karlsruhe hielt zum Diskussionsthema ein Impulsreferat. Darin machte er deutlich, dass eine Paralleljustiz auch ein Anzeichen für die Etablierung von Parallelgesellschaften sein könnte. Rosenthal gab jedoch zu bedenken, dass daraus nicht zwangsläufig folgen müsse, dass „die Integration gescheitert“ sei. Das Phänomen könne auch Anlass geben, die eigenen Verhaltensweisen zu überdenken.
Paralleljustiz nicht hinnehmbar
Rosenthal erklärte in seinem Impulsreferat ferner, dass eine Paralleljustiz, die sich als Selbstorganisation einer Minderheit begreife, nicht hinnehmbar sei. Sie gefährde das staatliche Gewaltmonopol. Andererseits sei bloße Streitschlichtung, die sich als Ergänzung zu einem förmlichen Justizverfahren verstehe, aus seiner Sicht unbedenklich.
Der frühere NRW-Verfassungsrichter Michael Bertrams verband das Thema hingegen mit dem Islam und warnte öffentlich vor „gefährlichen Folgen einer Paralleljustiz“ nach islamischem Rechtssystem. „Die Anwendung der Scharia insbesondere in familienrechtlichen Streitigkeiten und im Strafrecht führt zu einer inakzeptablen Selbstjustiz, bei der Friedensrichter „von Gottes Gnaden“ die Gebote Allahs an die Stelle des staatlichen Rechts setzen“, sagte Bertrams gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger.
Juristentag lehnt ab und fordert weitere Forschung
Der Deutsche Juristentag lehnte in ihren Entscheidungen jede Form einer kulturell oder religiös verwurzelten strafrechtlichen Paralleljustiz ab, die das staatliche Justizsystem ergänzen oder ersetzen soll. Eine Paralleljustiz wird auch dann abgelehnt, selbst wenn sie zur Entlastung des staatlichen Justizsystems beitragen könnte.
„Formen von kulturell oder religiös verwurzelter Streitschlichtung im Strafrecht, die das Legalitätsprinzip auszuhebeln geeignet und nicht mit dem Strafprozess verknüpft sind, insbesondere dem Opfer den Zugang zum staatlichen Rechtsschutz abschneiden, sind abzulehnen“, lautet der, mit deutlicher Mehrheit angenommene, Leitsatz.
Dennoch wird eine „Einbeziehung kulturell oder religiös verwurzelter Streitschlichtung in die staatliche Strafverfolgung – zum Beispiel im Rahmen eines TäterOpferAusgleichs“ nicht gänzlich ausgeschlossen. Der Juristentag empfiehlt, weitere empirische Erhebungen zu den tatsächlichen Erscheinungsformen einer Paralleljustiz anzustellen.