Ein chinesisches Gericht hat den Wirtschaftswissenschaftler und Menschenrechtsaktivisten Ilham Tohti zu lebenslanger Haft wegen „Separatismus“ verurteilt. Das Urteil erregt internationale Kritik. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung zeigte sich in einer ersten Stellungnahme bestürzt.
Der uigurische Wirtschaftswissenschaftler Ilham Tohti wurde von einem chinesischen Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt. Dies gab der Anwalt der Familie über Twitter bekannt. Tohti wurde vorgeworfen „Separatismus“ betrieben zu haben. Er gilt als gemäßigter Regimekritiker und hatte mehrfach eine Ungleichbehandlung seines Volkes kritisiert. Separatismusvorwürfe hatte Tohti stets bestritten, zuletzt auch vor Gericht. Das umstrittene Verfahren gegen den 44-Jährigen fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die Verurteilung von Tohti als „Gesinnungsjustiz“ kritisiert. „Die Bundesregierung muss nun ein deutliches Zeichen setzen und den Menschenrechtsdialog mit China aussetzen“, forderte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius in Göttingen. „Statt sich wie ein Rechtsstaat inhaltlich mit der berechtigten Kritik Tohtis an Chinas Nationalitätenpolitik auseinanderzusetzen, wird der Professor bis zu seinem Lebensende weggesperrt und mundtot gemacht“, kritisierte Delius.
Menschenrechtsbeauftragter kritisiert Urteil
„Die heutige Verurteilung von Ilham Tohti bestürzt mich. Tohti ist uns bekannt als Befürworter des Dialogs. Er tritt für die Verständigung zwischen Uiguren und Han-Chinesen ein“, erklärte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), am Rande einer UN-Vollversammlung in New York. „Trotzdem wurde er heute wegen angeblicher separatistischer Aktivitäten zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hatte monatelang weder Zugang zu einem Anwalt seiner Wahl, noch wurden Anwalt oder Familienangehörige über den anberaumten Prozess informiert. Dies steht nicht im Einklang mit chinesischem Recht“, kritisierte Strässer das Urteil.
Er bedauere, dass China den Prozessbeobachtern Deutschlands und der EU keinen Zugang zur Gerichtsverhandlung gewährt habe. Es sei zu begrüßen, wenn das Urteil in einem fairen Berufungsverfahren überprüft werden könnte. „Das harte Urteil gegen Ilham Tohti ist vor allem deshalb bedauerlich, weil es im Widerspruch zu Bemühungen um Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in China steht. Die Serie von Verhaftungen zahlreicher chinesischer Professoren, Journalisten, Anwälte und weiterer Personen schadet dem internationalen Ansehen Chinas und unterminiert das Vertrauen der chinesischen Bürger in ihr Rechtssystem“, sagte Strässer.
Einsatz für besseres Verhältnis
Ilham Tohti war Professor für Wirtschaftswissenschaften an der renommierten Minderheitenuniversität in Peking. Dort untersuchte er unter anderem die wirtschaftliche und soziale Lage der Uiguren. Mit seiner Website „Uyghur Online“ setzte sich Tohti für ein besseres Verhältnis zwischen Han-Chinesen und Uiguren ein. Chinesischen Behörden schlossen die Website jedoch nach wenigen Jahren wieder.
Im Jahr 2009 wurde Tohti bereits schon einmal verhaftet und verhört, weil er sich kritisch zur Politik der chinesischen Regierung bezüglich Xinjiang (früher Ossturkestan) äußerte. Die Behörden warfen ihm bereits damals angeblichen „Separatismus“ vor, ließen ihn aber nach mehreren Monaten wieder frei. Im Januar 2014 wurde Tohti zusammen mit seiner Mutter nach Unruhen in der Hauptstadt Ürümqi erneut verhaftet.
Minderheit der Uiguren
In China leben rund 8 Millionen Uiguren. Die überwiegende Mehrheit von ihnen bekennt sich zum Islam. Sie werden seit längerem von der chinesischen Regierung unter Druck gesetzt. Experten sind der Ansicht, dass eine von der Regierung forcierte Migration von Han-Chinesen nach Xinjiang, als auch die Versuche die Uiguren zu assimilieren, dass sozio-ökonomische Gleichgewicht in der Region verändert haben. Uiguren sind Repressalien ausgesetzt und können ihren Glauben nicht frei leben. Experten sehen darin auch den Grund für immer wieder aufkommende Unruhen in der Region.