Die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) hat auf einer Konferenz zu Menschenrechten und Demokratie der OSZE auf die steigende Islamfeindlichkeit in Deutschland aufmerksam gemacht. Die IGMG empfiehlt neben der Erfassung antimuslimischer Straftaten auch die Schulung und Sensibilisierung von Akteuren.
Das „Office for Democratic Institutions and Human Rights“ (ODIHR) der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) veranstaltete vom 22. September 2014 bis zum 3. Oktober 2014 die jährlich stattfindende Konferenz: „The Human Dimension Implementation Meeting“ (HDIM). Das HDIM gilt als größte Konferenz Europas für Menschenrechte und Demokratie. Tagungsort war in diesem Jahr erneut Warschau (Polen). Neben Botschaftern und Regierungsvertretern nahmen auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) an der Konferenz teil. Auch die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) nahm als muslimische NGO aus Deutschland in diesem Jahr an der Konferenz teil.
Verschiedene Organisationen haben auf Menschenrechtsverletzungen und Demokratiedefizite in OSZE-Staaten aufmerksam gemacht. Murat Gümüş, Stellvertretender Generalsekretär der IGMG, sprach vor der Generalversammlung und berichtete über die Tätigkeiten der muslimischen Religionsgemeinschaft. Gümüş machte darauf aufmerksam, dass die IGMG darum bestrebt sei, die „Interessen der muslimischen Community in den Bereichen Recht, Soziales und Politik zu artikulieren, diese zu vertreten und im gesamteuropäischen Kontext zu einem harmonischen Miteinander zwischen anderen Religionsangehörigen und nicht-Religionsangehörigen beizutragen.“ Zu diesem Zweck beobachte, erfasse, dokumentiere und katalogisiere die IGMG antimuslimische Straftaten und versuche die Gesellschaft, Politik und Justiz durch zahlreiche Publikationen auf diese aufmerksam zu machen.
Angriffe auf Moscheen
„In den letzten 30 Jahren hat es in der Bundesrepublik Deutschland ein Dutzend Bombendrohungen und über hundert Anschläge mit Steinwürfen, Brandsätzen und Schusswaffen gegen Moscheen gegeben“, sagte Gümüş und machte damit auf ein Grundproblem in Deutschland aufmerksam. Offiziell werden keine Daten erhoben, die diese Straftaten erfassen. „Es fehlt damit bereits an grundlegenden statistischen Informationen“, erklärte Gümüş. „Diese mangelnde Datenlage erschwert die Darstellung der Kriminalitätslage dieses Phänomenbereichs.“
Dabei zeige eine jüngste Anfrage der Linksfraktion im Bundestag bereits, dass es allein von Anfang 2012 bis März 2014 78 Attacken auf Moscheegemeinden gegeben habe. „Von Januar bis August hat es nach Angaben des Bundesministeriums des Innern zwölf politisch motivierte Übergriffe auf Moscheen in Deutschland gegeben. Das Spektrum der Taten reicht von Hakenkreuzschmierereien über Morddrohungen bis hin zur Brandstiftung. Das Dunkelfeld nicht gemeldeter bzw. angezeigter Straftaten dürfte jedoch weit höher liegen“, erklärte Gümüş.
Handlungsempfehlungen an die Regierungen
„Antimuslimische Straf- und Gewalttaten werden seit Einführung des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes im Jahre 2001 ohne weitere Kennzeichnung dem Oberbegriff „Hasskriminalität“ zugeordnet. Ein gesondertes Unterthema „antimuslimisch“, „islamfeindlich“ o. ä. gibt es nicht. Die Folge ist, dass antimuslimische Straftaten in der Statistik nicht ausgewiesen werden“, erklärte Gümüş in seiner Ansprache weiter. Dies sei unter anderem bei antisemitisch motivierten Straftaten anders. „Die Dienststellen von Staatsschutz und Verfassungsschutz erfassen diese sachgerecht.“
Gümüş stellte Empfehlungen der IGMG an die Regierungen vor: Islamfeindliche Einstellungen und daraus erwachsene Kriminalität müssten sicherheitsbehördlich gesondert registriert, untersucht und kriminologisch erforscht werden. Religiöse Zentren müssten besser geschützt werden. Polizei und Justiz müssten bezüglich antimuslimischer Straftaten sensibilisiert und fortgebildet werden. Ebenso müsse die interkulturelle Kompetenz gestärkt werden.
Scharf kritisierte die IGMG, dass Ermittlungsbehörden häufig „schon bei der ersten Erklärung eine politische Motivation ausschließen“ würden. Dadurch entstehe der Eindruck, dass das Ermittlungsergebnis in den meisten Fällen vorweggenommen würde. „Diese Annahme bedarf einer Überprüfung mit Hilfe von Studien und Analysen. Dafür wird Einsicht in diverse Ermittlungsakten gefordert. Außerdem fordern wir in diesem Zusammenhang die Umsetzung der Empfehlungen der NSU-Untersuchungsausschüsse unter Hinzuziehung von Wissenschaft und Zivilgesellschaft.“
Emisco
Zudem fand zeitgleich auch ein Sideevent der Initiative „European Muslim Initiative for Social Cohesion“ (Emisco) statt. Die Emisco widmet sich der Partizipation von Muslimen in den europäischen Gesellschaften und dem Schutz der Minderheiten in diesen Gesellschaften. Thema des Treffens, an dem verschiedene Experten und Vertreter muslimischer NGOs teilnahmen, waren antimuslimische Straftaten. Auch hier wurde über Angriffe auf Moscheen in Deutschland, in Chronologischer Abfolge, berichtet. Ebenso wurde über die gesellschaftliche und mediale Reaktion auf die Angriffe auf Moscheen diskutiert.