Islam in Deutschland

Die Struktur sozialer Einrichtungen in Deutschland

In ihrem Beitrag beleuchtet Meltem Kural die bestehenden Strukturen sozialer Einrichtungen in Deutschland anhand der Wohlfahrtsverbände. Sie bemängelt, dass es keinen eigenständigen muslimischen Sozialverband gibt.

12
10
2014

In sozialen Rechtsstaaten existieren verschiedene selbstständige soziale Einrichtungen, die das vom Grundgesetz garantierte Recht auf soziale Rechte und Dienste umsetzen und somit dem Staat eine Vielzahl von Aufgaben abnehmen. Deutschland gehört in diesem Bereich zu den Spitzenreitern.

In dem Dachverband der sogenannten Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege befinden sich, neben säkularen Organisationen, gleichermaßen Organisationen, die ihre Gründung auf Basis ihrer religiösen Vorstellungen begründen.

In Deutschland haben die größten Wohlfahrtsverbände, wie die Caritas, die zur katholischen Kirche angehört, die Diakonie, ein Verband der protestantischen Kirche und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden, allesamt eine religiöse Konnotation und Herkunft.

Dienste stehen allen Bürgern offen

Die Dienste der Caritas und die der Diakonie können in gleichem Maße von nicht-christlichen Mitbürgern genutzt werden, jedoch bezieht sich ihre Gründungsphilosophie explizit in Bezugnahme auf das alte und neue Testament.

Laut der Aussage von Benjamin Bloch, dem Direktor des jüdischen Wohlfahrtverbands ZWST, zielt diese Einrichtung darauf ab insbesondere die jüdischen Mitbürger im Hinblick auf das Konzept der „Zedaka” (Sadaka) in der Thora zu versorgen. Darüber hinaus betont Bloch, das der ZWST zwar einer der kleinsten der Wohlfahrtverbände ist, dennoch dass sie für Mitbürger anderer religiöser Gemeinden offen sind und keinerlei Unterschied zwischen den Geförderten machen.

Die Aufgabenbereiche dieser Verbände sind unter anderem Tätigkeiten im Gesundheitswesen, Kinder- und Jugendarbeit, Altenpflege, Suchttherapie von Drogensüchtigen und Alkoholkranken, Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge, psychologische Beratungsstellen und Förderung von behinderten Menschen.

Diesen Einrichtungen gehören in gleicher Weise Krankenhäuser, Kinderkrippen, Kindergärten, Altenheime, Frauenhäuser, Rehabilitationszentren und Kinder- bzw. Jugendheime an.

Unterschied beim ZWST

Im Vergleich dazu, vereint der ZWST seine Dienste unter zwei Hauptkategorien, diese wären einerseits die Jugendarbeit und die sozialen Dienste.

Der Hauptunterschied des ZWST gegenüber den anderen kirchlichen Organisationen ist, dass sie zudem ihre Dienste dazu nutzen, um die jüdische Identität in Deutschland zu starken, jüdische Gemeinden zu unterstützten und jüdischen Migranten bei der Integration im Land behilflich zu sein.

Finanzierung durch den Staat

Etwa 90% der Finanzierung erhalten die Wohlfahrtverbände vom Staat. Die größten kirchlichen Wohlfahrtverbände Caritas und die Diakonie, sind in zahlreichen Gebieten Deutschlands, die größten privaten Arbeitgeber. Diese Verbände und die dazugehörigen Einrichtungen, sind selbständige Unternehmen, die unmittelbar auf soziale Kooperation und Solidarität angewiesen sind, damit sie effizient arbeiten können.

Die Religionsgemeinschaften, die durch das Grundgesetz geschützt sind, haben ein sogenanntes Selbstbestimmungsrecht, dass ihnen erlaubt, eigene Arbeitsrichtlinien festzulegen und sie auf die Angestellten der von ihnen getragenen sozialen Einrichtungen, anzuwenden. Aus diesem Grund müssen sich diese Einrichtungen, in Bezug auf die Beschäftigung und die Kündigungen, gemäß den kirchlichen Satzungen handeln. Aus diesem Grund können diese Verbände sich darauf berufen, dass ihre Angestellten einer Kirche angehören oder den religiösen Prinzipien, die in diesen Einrichtungen verankert sind, respektvoll gegenübertreten.

Selektive Auswahl der Mitarbeiter

Insbesondere die Caritas, die der römisch-katholischen Kirche angehört, ist bei der Wahl ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selektiv.

Gründe für eine Entlassung können bspw. sein, wenn ein Mitarbeiter aus der katholischen Kirche austritt, sich gegen die Lehren der Kirche stellt oder eine Person ist, dessen Zugehörigkeit dem Image der Kirche schaden würde. ((http://www.spiegel.de/panorama/justiz/urteil-caritas-darf-mitarbeiter-nach-kirchenausritt-kuendigen-a-896628.html (19.08)))

In der Tat entschied das Erfurter Arbeitsgericht im Jahre 2013 für die Caritas, der einer Person, die aufgrund des Missbrauchs in der Kirche sich von dieser entfernte, entlassen hatte.

Die Rolle dieser Einrichtungen ist nicht zu unterschätzen, die die Verantwortung des sozialen Rechtsstaats annehmen und eine Brücke zwischen dem Staat und der Gesellschaft schlagen können.

Ein muslimischer Wohlfahrtsverband fehlt

Es ist ein großer Mangel, dass es in Deutschland, trotz 4 Millionen Mitbürgern muslimischen Glaubens, kein muslimischer Wohlfahrtsverband existiert.

Solch ein muslimischer Wohlfahrtsverband könnte, wie die kirchlichen Einrichtungen, eine Brücke zu den muslimischen Mitbürgern schlagen, die religiös und moralisch korrekt die Dienste des Staates, die vom Grundgesetz gesichert sind, annehmen. Zudem kann der Staat damit entlastet werden. Jene Verbände könnten einen Beitrag zur deutschen Gesamtgesellschaft leisten, den muslimischen Migranten Hilfe in ihrem Alltag zubilligen und Einrichtungen initiieren, die dafür sorgen, dass sie von diesen profitieren.

Probleme, die mit migrantischen Familien in Verbindung gebracht werden, wie Gewalt in der Familie oder die fehlende Bildung von Jugendlichen, kann durch religiös gleichgesinnte Mitbürger, die sich in dieser Gesellschaft verorten und beheimatet sind, gelöst werden. Jene könnten dafür sorgen, dass die Bedürftigen materielle und moralische Hilfeleistungen erhalten, sodass dies ohne Zweifel langfristig zum Erfolg führen könnte.

Leserkommentare

#PEGIDA und die Zukunft Deutschlands | filmdenken.de sagt:
[…] Jahren über die Gründung eigener muslimischer Sozialverbände nachgedacht wird (siehe hier oder hier). Die anschließende Frage lautet dann, ob es nicht zu einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft […]
19.12.14
20:05