Der Ägyptologe Stephan Seidlmayer machte bei seiner Auszeichnung mit dem Gerda-Henkel-Preis auf die schwierige Lage von Archäologen in Ägypten aufmerksam. Als Grund für die prekäre Lage sieht Seidlmayer die Nachwirkungen des „Arabischen Frühlings.“
Die Umbrüche in der arabischen Welt haben nach Ansicht des Ägyptologen Stephan Seidlmayer massive Auswirkungen auf die Arbeit von Archäologen in der Region. So hätten der „Arabische Frühling“ und die nachfolgenden Wirren in Ägypten „auch infolge überzogener Berichterstattung“ zu einem massiven Einbruch beim Tourismus geführt, sagte Seidlmayer am Montagabend (13.10.2014) in Düsseldorf. In der Folge seien weniger Gelder zum Schutz von Altertümern vorhanden. Seidlmayer äußerte sich bei der Entgegennahme des Gerda-Henkel-Preises.
In einem Land, das noch 2010 umgerechnet 16,5 Milliarden US-Dollar aus dem Tourismusgeschäft erwirtschaftet habe, dürften Archäologen keine Haltung der „gepflegten Marginalität“ an den Tag legen, forderte Seidlmayer. Stattdessen gelte es, sich aktiv um den Schutz des kulturellen Erbes zu kümmern sowohl im Dialog mit den ägyptischen Behörden als auch im Gespräch mit den Anwohnern. Als Beispiel für eine Initiative für die Bevölkerung vor Ort nannte der Forscher einen digitalen Reiseführer, der die archäologischen Stätten bei Assuan erschließen soll.
Der Spezialist für das alte Ägypten zählt international zu den renommiertesten Vertretern seines Fachs und war unter anderem Projektleiter für das Altägyptische Wörterbuch. Seit 2009 ist Seidlmayer Direktor der Abteilung Kairo des Deutschen Archäologischen Instituts und erforscht dort unter anderem Felsinschriften in der Region von Assuan und das Pyramiden- und Gräberfeld Dahschur 26 Kilometer südlich von Gizeh.
Angesichts des Wandels in Ägypten gewinne die archäologische Forschung „eine Wichtigkeit, die wir kaum geahnt haben“, betonte Seidlmayer. „Sie produziert Wissen und Kompetenz, die gebraucht werden, um das kulturelle Erbe Ägyptens zu erhalten, gebraucht werden, damit der moralische und der ökonomische Wert der Denkmäler nachhaltig erschlossen wird, und die gebraucht werden, der ägyptischen Öffentlichkeit eine Sachgrundlage verfügbar zu machen, die allein die Basis einer informierten Willensbildung sein kann.“
Der Gerda-Henkel-Preis, der zu den wenigen hoch dotierten Preisen auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften gehört, wird seit 2006 alle zwei Jahre verliehen. Er geht an Wissenschaftler, die in den von ihr unterstützten Disziplinen und Förderbereichen herausragende Forschungsleistungen erbracht haben und weitere erwarten lassen.
Die Auszeichnung Seidlsmayers würdige einen Wissenschaftler, der bei seiner Arbeit „höchste wissenschaftliche Expertise mit wirkungsvoller wissenschafts- und kulturpolitischer Praxis“ verbinde, teilte die Gerda-Henkel-Stiftung zur Begründung mit.
Zu den bisherigen Preisträgern gehören unter anderem die Berliner Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer sowie der Konstanzer Historiker Jürgen Osterhammel. (KNA/iQ)