Aleviten in Deutschland

Bremen und Bremerhaven schließen Vertrag mit Alevitischen Gemeinden

Als einen Meilenstein und als Anerkennung der Alevitischen Gemeinde wurde heute der von den Bürgermeistern Bremens und Bremerhavens unterzeichnete Vertrag mit den Alevitischen Gemeinden bezeichnet. Der Vertrag soll das Verhältnis zwischen Religionsgemeinschaften und Staat regeln.

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Der Bremer Senat und die Stadt Bremerhaven haben mit den Alevitischen Gemeinden einen Vertrag über Rechte und Pflichten abgeschlossen. Er soll die Freiheit der Religionsausübung von Bürgern alevitischen Glaubens bekräftigen und ihre gleichberechtigte Teilhabe am religiösen, kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben fördern, wie nach der Unterzeichnung am Dienstag mitgeteilt wurde. Alevitischen Mitbürgern solle es erleichtert werden, „ihre Identität zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und zu entwickeln“. Ein ähnliches Abkommen hatte Bremen als erstes Bundesland überhaupt bereits Anfang 2013 mit den muslimischen Religionsgemeinschaften geschlossen.

Unterzeichnet wurde der Vertrag von Bürgermeister Jens Böhrnsen, Bürgermeisterin Karoline Linnert und Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz sowie von den Vorsitzenden der Alevitischen Verbände Hüseyin Mat, Manuel Diskaya, Serdar Kara und Sadık Köylü.

Meilenstein und Anerkennung

Vertragspartner sind die Freie Hansestadt Bremen und die Alevitische Gemeinde in Deutschland, die Alevitische Gemeinde in Bremen und Umgebung, das Alevitische Kulturzentrum und der Alevitische Kulturverein Bremerhaven. „Mit diesem Vertrag erkennen wir an, dass die Bürger alevitischen Glaubens im Lande Bremen zu einem festen Bestandteil unserer Gesellschaft geworden sind“, sagte Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD). Er bedankte sich für die „konstruktiven Gespräche“, die dem Vertrag vorangegangen sein sollen und für den „guten, intensiven Dialog.“

Alle Beteiligten an diesem Prozess sähen in dem Vertrag einen Meilenstein und Anerkennung der alevitischen Religionsgemeinschaften sowie ihrer langjährigen, ehrenamtlichen Arbeit, sagte Bürgermeisterin Karoline Linnert. Sie betonte: „Dies ist ein weiterer wichtiger Schritt für ein gutes Zusammenleben in Bremen und Bremerhaven, der unsere Bestrebungen für Integration stärkt. Es geht uns wie unseren alevitischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern darum, wie wir unsere Städte noch lebenswerter und menschenfreundlicher gestalten können.“

Regelungen zum religiösen Leben

Unter anderem sieht der Vertrag vor, dass alevitische Bürger künftig an ihren religiösen Feier- und Gedenktagen Urlaub nehmen können. Kinder dürfen an solchen Tagen der Schule fernbleiben. Damit seien alevitische Feiertage gleichgestellt. Zur Umsetzung dieser Änderung ist den Angaben zufolge noch eine Gesetzesänderung nötig, zu der sich Bremen im Vertrag verpflichtet.

Der Kontrakt regelt außerdem die Vermögensrechte der Alevitischen Gemeinde. Er gewährleistet den Betrieb von Gebets- und Gemeindehäusern sowie die Unterhaltung von Bildungs- und Kultureinrichtungen. Aleviten haben außerdem das Recht, auf öffentlichen Friedhöfen Bestattungen nach ihren religiösen Vorschriften vorzunehmen. Vereinbart werden auch regelmäßige Gespräche zur Intensivierung der Beziehungen zwischen den Vertragsparteien.

Um in Kraft zu treten, bedarf der Vertrag noch der Zustimmung der Bremischen Bürgerschaft. Nach der Unterzeichnung durch die Vertragspartner wurde der Vertrag daher der Bürgerschaft zugeleitet. Ihre Zustimmung gilt als sicher.

Hintergrund zu Aleviten

Die Aleviten sind eine eigene Glaubensgemeinschaft, die sich im 13. und 14. Jahrhundert in Anatolien aus dem schiitischen Zweig des Islam entwickelt hat. Ihr Name verweist auf Ali, den Vetter des Propheten Muhammad und vierten Kalifen, den sie tief verehren, manche Aleviten sogar als Inkarnation Gottes. Die rituelle Gottesverehrung des Mehrheitsislam lehnen viele Aleviten ab. Vorschriften der Glaubenslehre und die fünf Säulen des Islam – etwa die täglichen Pflichtgebete oder das Fasten im Ramadan – halten sie meist für unwichtig.

Im Mittelpunkt ihrer oft esoterisch geprägten Lehre, die keinem zentralen Dogma folgt, stehen ethische Aspekte. Das bedeutendste alevitische Ritual sind die Treffen der Gläubigen in sogenannten Cem-Häusern. Die häufige Definition der Aleviten als „liberale Muslime“ ist jedoch in vielen Fällen irreführend. Viele Aleviten sehen sich vielmehr als Anhänger einer eigenen Religion. In Deutschland leben mehrere Hunderttausend Aleviten, nach Schätzungen bis zu 13 Prozent der muslimischen Bevölkerung. (KNA/iQ)