In Baden-Württemberg ist es künftig nicht mehr möglich, sich aus religiösen Gründen vom Schwimmunterricht zu befreien. Hintergrund ist ein Gerichtsurteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach muslimischen Schülerinnen die Teilnahme am koedukativen Schwimmunterricht im Ganzkörperbadeanzug „Burkini“ zuzumuten sei.
Muslimische Schülerinnen in Baden-Württemberg können sich nicht mehr aus religiösen Gründen vom gemeinsamen Schwimmunterricht befreien lassen. Dies geht aus einem Erlass des Kultusministeriums Baden-Württemberg hervor. Eine Sprecherin des Ministeriums hat den Erlass gegenüber IslamiQ auf Nachfrage bestätigt. Im Regelfall sei keine Befreiung möglich, heißt es in dem Schreiben an die Schulen.
Bisher hatten Schulen entsprechende Anträge geprüft und akzeptiert. Zur Begründung der neuen Praxis verweist das Ministerium auf das sogenannte „Burkini-Urteil“ des Bundesverwaltungsgerichts vom September 2013. Laut Urteil sei es einer muslimischen Schülerin zuzumuten, dass sie am gemeinsamen Schwimmunterricht teilnimmt, wenn sie einen Ganzkörperschwimmanzung („Burkini“) trage, der den muslimischen Bekleidungsvorschriften entspreche. Das Urteil ist allerdings selbst unter Juristen umstritten.
Das „Burkini-Urteil“ führte auch bei Muslimen zu kontroversen Debatten. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich „vom öffentlichen Diskurs über Muslime und über den Islam“ dazu verleiten lassen, seine eigenen Grundsätze aufzugeben. „Das Gericht hat sich auf Kosten von Grundrechten der nicht näher definierten Integrationspolitik gebeugt“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), Mustafa Yeneroğlu.
Das Urteil bestätige zudem die „religionspolitisch intendierte Entwicklung der letzten Jahre, im Namen einer nicht näher definierten Integrationspolitik die Religionsfreiheit von Muslimen möglichst einzuschränken.“ Das Bundesverwaltungsgericht habe sich unkritisch dieser Entwicklung gebeugt. Die IGMG stellte die Frage, ob der Staat in dieser Form in das Erziehungsrecht der Eltern eingreifen und die Eltern quasi bevormunden dürfe. Gleichzeitig weist die IGMG auf einen möglichen Gewissenskonflikt bei Schülerinnen hin, den der Staat nicht einfach so „wegwischen“ dürfe.
Tatsächlich hat das Kultusministerium in Baden-Württemberg nach Angaben gegenüber IslamiQ keine gesicherten Statistiken darüber, wie viele Schüler sich vom koedukativen Sport- oder Schwimmunterricht in der Vergangenheit überhaupt haben befreien lassen. Hintergrund des jüngsten Erlasses war ein Hilferuf aus einer Schule in Esslingen, die nicht genau wusste, wie sie mit einem solchen Befreiungsantrag umgehen solle.
Das Kultusministerium machte deshalb mit seinem Erlass auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufmerksam, um so auch für Rechtssicherheit bei Schulen und Lehrern zu sorgen. Gleichzeitig macht das Kultusministerium aber auch darauf aufmerksam, dass der Sport- und Schwimmunterricht in Baden-Württemberg ab der 7. Klasse sowieso in der Regel nach Geschlechtern getrennt stattfinde. (KNA/iQ)